Jenny heftig in Noeten
ununterbrochen für die Schule geackert habe. Das Problem sind meine Eltern: Sie verlangen von mir, dass ich mir einen Ferienjob suche. Ich soll langsam mal anfangen, Geld fürs College zu verdienen. Dabei sind sie ja wohl dazu verpflichtet, mir das Studium zu bezahlen, oder? Kannst du diesen Brief bitte abdrucken, ich weiß, dass meine Eltern total viel von dir halten und auf dich hören werden.
Ein Sonnenhungriger
Lieber Sonnenhungriger,
kann sein, dass du jetzt gleich nicht mehr viel von mir halten wirst, ich muss dich nämlich enttäuschen: Deine Eltern haben Recht. Niemand »verdient« drei Monate Ferien. Haben deine Eltern, die wahrscheinlich das ganze Jahr über genauso geschuftet haben wie du, drei Monate frei? Nein. Nimm dir zwei Wochen frei und such dir dann einen Job. Und an den Wochenenden kannst du immer noch an den See fahren oder in der Stadt abhängen. Wenn du anfängst zu studieren, wirst du über das Geld und die Arbeitserfahrung froh sein.
Annie
Fünfzehn
Betty Ann Mulvaney saß am nächsten Morgen wieder an ihrem Ehrenplatz auf Mrs Mulvaneys Pult.
Meine Mutter hatte alles Menschenmögliche getan, um sie wieder einigermaßen in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen. Sie hatte den Grillsoßenfleck aus der Latzhose gewaschen, und wir hatten beide eine Stunde damit verbracht, ihre Wollhaare zu entwirren. Zuletzt flochten wir ihr zwei Zöpfe, die wir mit einer Schleife zubanden.
Betty Ann sah anschließend vielleicht nicht ganz genauso aus wie vor ihrer Entführung, aber sie sah immerhin… okay aus.
Und als Mrs Mulvaney ins Klassenzimmer kam und sie entdeckte… also, da war klar, dass sie gar nichts fand, dass was mit Betty Ann nicht stimmte.
»Betty Ann!«, entfuhr es ihr. Ich weiß nicht, ob Mrs Mulvaney überhaupt bemerkte, dass ich neben dem Pult Wache schob. Nach all der Mühe, die ich gehabt hatte, Betty Ann zu befreien, wollte ich auf keinen Fall zulassen, dass Kurt sie sich wiederholte.
Scotts Befürchtung, Kurt würde uns die Fresse einschlagen, stellte sich als unbegründet heraus.Anscheinend hatte Vicky ihm den entscheidenden Teil meiner Nachricht – dass Kurt kein Abschlusszeugnis bekommen würde, wenn »jemand« Dr. Lewis die Wahrheit über Betty Anns Entführung steckte – erfolgreich übermittelt.
Kurt sagte kein Wort, als er morgens in den Lateinunterricht kam und sich an seinen Platz setzte. Okay, er starrte mich wütend an, als er mich neben Mrs Mulvaneys Pult stehen sah, von wo aus ich die Tür und Betty Ann nicht aus den Augen ließ.
Aber mehr nicht.
Am Ende der Stunde schlenderte Kurt aus dem Raum, ohne mich eines Blickes zu würdigen, und da war ich mir sicher, dass Luke hundertprozentig Recht gehabt hatte: Ich besaß viel mehr Macht, als ich geahnt hatte.
Und als die vierte Stunde heranrückte, stellte sich heraus, dass ich sogar noch viel, viel mehr Macht besaß.
Aber zurück zu Mrs Mulvaney. Gab es eine sichtbare Veränderung in ihr, als sie Betty Ann heil und unversehrt (mal abgesehen von den Haaren) wiederhatte? O ja, und was für eine! Sie war ganz ausgelassen vor Erleichterung. Klar kann man Mrs M für ein bisschen kindisch halten. Wie kann man als Erwachsener eine Puppe so lieben? Aber jetzt war sie wirklich ein anderer Mensch – richtig ausgelassen vor lauter Glück. Sie fragte nicht, wo Betty Ann gewesen war. Sie dankte uns auch nicht für ihre Rückkehr.
Sie begann sofort mit ihrem Unterricht, und wir lachten uns mit ihr halb tot, weil sie uns so komische Sprüche beibrachte, die weniger was für den College-Einstufungstest waren als für wilde Saufgelage – falls man zufällig an einem Saufgelage teilnehmen sollte, wo Latein gesprochen wurde. Sprüche wie:
Bibat ille, bibat illa,
bibat servus et ancilla,
bibat hera, bibat herus,
ad bibendum nemo serus!
Was mehr oder weniger eine Aufforderung ist, sich zu besaufen. Schockierend, oder?!
Aber nicht so schockierend wie das, was sich ein paar Stunden später ereignete.
Es war Freitag. Der Freitag, an dem der Reisebus, den die Schule angemietet hatte, um die Troubadours nach Bishop Luers zu fahren, um sechs Uhr morgens abgefahren war. Er wurde erst spätabends, nach dem Finale der Troubadours, zurückerwartet. War ich erleichtert, dass ein ganzer Schultag vor mir lag, ohne dass ich Gefahr lief, Karen Sue oder Mr Hall über den Weg zu laufen? O ja!
Machte ich mir Sorgen, früher oder später erwischt zu werden, weil ich jetzt schon drei Tage hintereinander die vierte Stunde blaumachte? Und
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