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Jenseits aller Vernunft

Jenseits aller Vernunft

Titel: Jenseits aller Vernunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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schon mal darauf geachtet, wie sie mit ihren Händen umgeht? Fast anmutig. Sie i ss t auch ordentlich. Ich hab’ noch nie ’ne Schlampe gesehen, die sich so ladylike benimmt wie sie.«
    Ma ließ seinen Arm los, richtete sich aber noch höher auf. »Ihr scheint außerdem viel Wert auf die Familie und die Abstammung eines Menschen zu legen. Habe ich nie getan. Ich fand es immer wichtiger, wie ein Mensch selber ist, und nicht seine Mutter und sein Vater. Aber Ihr solltet sie lieber nicht so streng beurteilen. Vielleicht ist sie gar die Tochter von jemandem, den Ihr nicht gern beleidigen würdet. Na gut, sie hat sich in Schwierigkeiten gebracht und ein Baby bekommen. Das passiert vielen Frauen. Ich wette, Ihr und Mrs. Coleman habt Euch auch ein paarmal im Heuschober getroffen, bevor Ihr geheiratet habt.«
    Ross’ Lippen wurden schmal. »Victoria war nicht so«, wehrte er ab.
    Ma lachte nur über seine eingebildete Moral. »Mit dem richtigen Mann passiert das jeder Frau. Und wenn das bei Eurer Frau nicht so war, hätte es doch so sein müssen.«
    »Ich dulde es nicht...«
    »Es liegt mir fern, üble Nachrede über die Toten zu halten«, meinte Ma deutlich weicher. Er sah wirklich aus wie ein Mann, der furchtbar litt, und sie glaubte zu wissen, warum. Zeke teilte ihre Meinung. Sie hatten gestern abend darüber geredet, als sie sich einen gemeinsamen Abend im Wagen gegönnt und alle Kin-der nach draußen geschickt hatten. »Ich bin nur gekommen, um Euch daran zu erinnern, dass diese junge Frau, was und wer auch immer sie ist, Eurem Baby das Leben gerettet hat. Sie hat sich heute abend wirklich Mühe gegeben, sich für Eure Gastlichkeit zu revanchieren. Sie wollte, dass Ihr ein gutes Abendessen bekommt.« Das stimmte nicht so ganz. Die Sache war ja Mas Idee gewesen, aber wenn nötig, erweiterte Ma die Wahrheit gelegentlich. »Und was tut Ihr? Ihr benehmt Euch herablassend und abschätzig wie diese vertrocknete Watkins.«
    Sie straffte im Bewu ss tsein ihres rechtschaffenen Anliegens die Schultern noch mehr. »Sieht ganz so aus, als solltet Ihr Euch lieber etwas Mühe geben, dass sie sich bei Euch wohl fühlt. Vielleicht verschwindet sie sonst von hier, und Euer Sohn muss sehen, woher er was zu essen bekommt. An Eurer Stelle würde ich mich für das Benehmen heute abend entschuldigen, Mr. Coleman.« Sie drehte sich erbost um und marschierte erhobenen Hauptes davon.
    Ross hockte sich ans Feuer und trank den Rest des Kaffees. Die anderen Lagerfeuer verloschen der Reihe nach, quengelnde Kinder wurden in oder unter den Wagen zum Schlafen gelegt. Immer mehr Leute verschwanden unter ihren Planen. Manche versuchten, im Vorbeigehen ein Gespräch mit Ross anzufangen, aber er antwortete nur einsilbig, und sie ließen ihn in Ruhe.
    Es war ein stiller Abend. Nur eine leichte Brise wehte durch die dunklen Bäume am Rand der Lichtung, auf der Scout, der Kundschafter des Trecks (der nur auf diesen Namen hörte) sie für die Nacht hatte anhalten lassen.
    Mas Worte waren nicht aus der Luft gegriffen, das muss te Ross zugeben, aber äußerst widerwillig. Es machte ihm zu schaffen, dass er es nun mit einer Frau zu tun hatte, die ihn ständig an seine eigene Vergangenheit erinnerte.
    Er war schon sein ganzes Leben lang vor seiner unsauberen Herkunft davongelaufen. Durch Victoria hatte er sie vorübergehend vergessen. Und jetzt kam diese junge Frau mit dem wilden Haar, den trotzigen Augen und dem sinnlichen Körper und erinnerte ihn an Dinge, die er unbedingt hatte vergessen wollen.
    Doch was würde er mit Lee machen, wenn sie nicht wäre? So klein wie das Baby war, machte es ihm eine Heidenangst. Er hatte keine Ahnung von Kindern, kannte nur das Fehlen von Mutterliebe. Er war mit dem Gefühl aufgewachsen, es gehöre eben zum Leben dazu, vernachlässigt zu werden. Durfte er seinem Sohn vorenthalten, dass eine Frau für ihn sorgte? Egal, welche? Und das Mädchen liebte Lee, das wusste Ross.
    Er gab ein Wort von sich, dass er sich nicht mehr zu sagen getraut hatte, seit er Victoria begegnet war. Das tat ihm so gut, dass er es gleich noch mal wiederholte. Geistesabwesend dämmte er das Feuer ein, so dass es am nächsten Morgen leicht wieder zu entfachen war. Als es nichts mehr zu tun gab, sah er zum Wagen. Die Lampe im Innern war noch an, aber schon weit heruntergedreht. Er ging zum Hinterende, schluckte schwer und rieb sich die schwitzenden Handflächen an den Oberschenkeln trocken.
    Lydia murmelte leise Koseworte zu Lee, der an ihrer Brust

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