Jenseits aller Vernunft
Weile schweigend an und antwortete dann ruhig: »Wofür, Mr. Coleman? Weil ich keine Männer in diesen Wagen locke und sie vor Euch und Lee ins Bett zerre?«
»Verdammt noch mal!« Das kam zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich versuche gerade, nett zu Euch zu sein.«
»Nett? Ihr findet es nett, anzudeuten, dass ich eine Hure bin?«
»Das ist verflucht hart ausgedrückt.«
»Na ja, es war auch verflucht hart von Euch, so zu denken.«
»Ihr solltet nicht solche Worte in den Mund nehmen.«
»Ihr auch nicht! Und warum wollt Ihr auf einmal nett zu mir sein? Habt Ihr vielleicht Angst, ich könnte mit einem Mann davonlaufen, der besser mit mir umgeht, und Lee einfach verhungern lassen?«
Ross antwortete aus zwei Gründen nicht. Erstens, weil er um
Fassung rang, und zweitens, weil ihn dieser plötzliche Temperamentsausbruch bei einem so zerbrechlich wirkenden Geschöpf völlig verblüffte.
Lydia, die befürchtete, sie könnte zu weit gegangen sein und sich wunderte, warum er sie nicht gleich verprügelte, wandte sich ab und legte sich das schlafende Baby an die Schulter. Er machte sofort sein Bäuerchen, auch ohne dass sie ihm den Rücken klopfte. Sie ging von dem niedrigen Hocker auf die Knie, legte ihn sacht in seine Kiste und deckte ihn mit einer leichten Decke zu.
Ross sah ihr zu, und es wurde ihm eng in der Kehle, als sie sich mit einem weichen Tuch abwischte. Dann zog sie das Oberteil des Kleides hoch, schlüpfte in die Ärmel und beugte sich nach vorn. Als sie alle irgendwie zusammenziehbaren Knöpfe geschlossen hatte, drehte sie sich abrupt zu ihm um.
»Wofür wolltet Ihr Euch bedanken?«
»Dafür, dass Ihr meinem Sohn das Leben gerettet habt«, krächzte er.
Lydia sah ihm in die Augen. Sie glitzerten vor Ärger, aber er meinte es ernst. Sofort schämte sie sich. Er mochte sie nicht leiden, aber seinen Sohn liebte er. Sie sollte seinen Dank annehmen.
Sie schaute auf das Baby hinunter und flüsterte: »ln gewissem Sinne hat er ja auch mir das Leben gerettet.« Sie hob den Blick wieder zu dem Mann vor sich und sagte: »Weil es Lee gibt, will ich jetzt nicht mehr sterben. Wenn ich keine Milch für ihn gehabt hätte, wäre er gestorben. So wie ich die Sache sehe, sind wir quitt.«
Es wäre ihm entschieden lieber gewesen, wenn sie die Milch nicht erwähnt hätte. Denn als er das Wort hörte, fiel sein Blick wieder dahin, wo die Milch herkam. Das Kleid war immer noch straff über den fülligen Halbkugeln ihrer Brüste gespannt und drückte die Brustwarzen flach. Es war ein unglaublich provozierender, aber doch schöner Anblick, und er konnte den Blick genausowenig abwenden, wie er hätte aufhören können zu atmen.
Lydia interpretierte den starren Blick als Ausdruck von Abneigung. »Es tut mir leid«, sagte sie verständnisvoll. »Ich weiß, dass das Kleid nicht anständig aussieht. Es ist nicht meine Absicht, Euch zu nahe zu treten.« Sie legte über jede ihrer Brüste eine Hand, als wolle sie sie verstecken.
Ihre Finger preßten sich in den weichen Untergrund und erzeugten zehn Vertiefungen. Er konnte sich vorstellen, wie die festen, runden Brustwarzen sich in ihre Handflächen drückten. Herrgott noch mal! Ross fluchte schweigend und konzentrierte sich darauf, nicht noch mehr von der lebendigen Erregung in den Lenden zuzulassen. Gewaltsam wandte er den Blick ab und war wieder in ihren leuchtenden Augen gefangen. »Gute Nacht«, sagte er mit der Verzweiflung eines Mannes, der um seine Existenz fürchtet.
»Ich bedaure, dass Ihr unter dem Wagen schlafen mü ss t. Ist das nicht sehr unbequem?«
Wesentlich bequemer, als es hier im Wagen neben ihr wäre. »Nein«, sagte er mit belegter Stimme. Er war schon halb draußen, als er ihr eiliges »Gute Nacht« vernahm.
Ein paar Minuten später lag er auf dem Rücken und sah hinauf zu den Sternen, während er innerlich über die straffe Spannung in seinen Lenden fluchte. Wenn er ihr vorwarf, eine Hure zu sein, was war dann er? Wie konnte sein Körper ihn so verraten? Er hatte seine Frau geliebt, und sie war erst vor einer Woche gestorben.
Seine einzige Entschuldigung war, dass er seit Beginn von Victorias Schwangerschaft nicht mehr mit seiner Frau geschlafen hatte. Es war ihr Wunsch, während der Schwangerschaft ihrer ehelichen Pflichten enthoben zu sein. Selbstverständlich fügte er sich sofort. Ihre Empfindsamkeit war eine jener Eigenschaften gewesen, die er so an ihr geliebt hatte, abgesehen von ihrer unglaublichen aristokratischen
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