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Jenseits aller Vernunft

Jenseits aller Vernunft

Titel: Jenseits aller Vernunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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bemerkt, weil sie selbst Tee trank.
    Er dankte Lydia nicht und hatte auch keine Komplimente übrig für das Frühstück. Sie aßen in angespanntem Schweigen. Als er seinen Teller geleert hatte und sie ihn kommentarlos wieder füllte, aß er auch die zweite Portion.
    »Was haben wir heute für einen Tag?« fragte Lydia, als sie das Geschirr wieder einzupacken begann.
    »Was für ein Tag? Donnerstag.«
    »Ma hat gesagt, dass der Treck sonntags immer Pause macht und dann fast alle ihre Wäsche waschen. Ich glaube aber nicht, dass ich mit Lees Windeln noch so lange warten kann.« Sie hatten in einer der Truhen im Wagen der Colemans Babysachen und Windeln gefunden. Es war Victoria klar gewesen, dass sie das Kind unterwegs bekommen würde.
    Anabeth hatte bisher die schmutzigen Windeln jeden Abend abgeholt und kurz ausgewaschen, aber der Eimer mit den nassen Windeln fing langsam an zu stinken. Ihre Blutung hatte vergangene Nacht aufgehört, doch sie muss te noch die Binden der letzten Tage reinigen. Es war nicht leicht gewesen, bei den Russells immer sauber zu bleiben, aber Mama hatte sie zu gewissenhafter Reinlichkeit erzogen. Sie war völlig verdreckt gewesen, als die Langstons sie fanden, und sie hatte sich in Grund und Boden geschämt.
    »Nach dem Abendessen machen wir Wasser heiß. Wenn wir sie über Nacht aufhängen, werden sie schon trocknen.«
    Lydia nickte. Sie stellte gerade die Kiste mit den Kochgeräten in den Wagen, als Lees hungriges Jammern erscholl. »Genau rechtzeitig«, sagte sie und lachte.
    »Ich mache das Feuer aus und versorge die Pferde.« Ross ging davon und ha ss te sich dafür, dass er dem kommenden Tag mit so-viel angenehmen Gefühlen entgegensah und dass ihm aufgefallen war, wie ihr Teint im ersten Licht der Sonne leuchtete.
    Lydia wickelte Lee und lehnte sich zufrieden an den Wagenrand zum Stillen. Das Lager war jetzt voller Leben, die meisten hatten gefrühstückt. Frauen packten die Habseligkeiten zusammen und ermahnten ihre Kinder zur Mithilfe, Männer schirrten die Pferde an. Scharfe Pfiffe durchdrangen die Luft, mit denen sie die Tiere dirigierten.
    Genu ss voll schlo ss Lydia die Augen. Sie befand sich in einer sicheren, behaglichen Welt, weit weg von der großen, gefährlichen, aus der sie gekommen war. Hier kannte sie niemand. Hier brachte niemand sie mit den Russells in Verbindung. Niemand wusste von jener Leiche mit dem zertrümmerten Schädel. Vielleicht war sie nicht einmal gefunden worden. Und selbst wenn - hier konnte sie niemand aufspüren. Sie war in Sicherheit. Sie konnte sich ausruhen.
    Ross sprach murmelnd mit den Pferden, während er sie vor den Wagen spannte. Sie mochte den tiefen Klang seiner Stimme als Gegensatz zu dem hellen Klingeln des Geschirrs. Die Luft war schwer vom Geruch des Holzrauches, der Pferde und des Leders. Eine angenehme Mischung. Auch Lee schien sich wohlzufühlen. Er trank eifrig, das rhythmische Saugen an ihrer Brust war beruhigend und vertiefte noch ihre friedvolle Stimmung.
    Sie öffnete schläfrig die Augen und erschrak.
    Mr. Coleman stand neben den Pferden und schirrte sie an. Unter dem Sitz des Wagens hindurch konnte er ungehindert bis zu ihr sehen. Und er starrte sie aus dem Schatten seiner Hutkrempe direkt an. Seine behandschuhten Hände bewegten sich einen Augenblick lang überhaupt nicht mehr, waren fest um die Lederriemen geschlossen.
    Als sie seiner gewahr wurde, kam er mit einem Ruck wieder in Bewegung, ri ss auf der Stelle seinen Blick von ihr los und zerrte kräftig an dem Lederriemen zwischen seinen Fingern.
    Ein leises Kribbeln stieg aus ihrem Innern empor, breitete sich über ihre Brüste aus und beengte ihr die Kehle. Ein solches Gefühl war ihr bisher noch nie begegnet, und es schockierte sie ebensosehr wie der Anblick von Mr. Coleman, der sie mit einer solchen Eindringlichkeit angestarrt hatte. Sie wandte sich etwas ab, bis Lee satt war, und schaute auch nicht mehr hinter sich.
    Soeben hatte sie Lee frisch eingepackt, da ertönte der Ruf zur Abfahrt. Ma hatte ihr erzählt, dass der Treck zwölf bis fünfzehn Meilen am Tag vorankam, jedoch durch die Frühlingsregenfälle oft Verzögerungen eintraten. Abgesehen vom feuchten Untergrund, über den sie fuhren, herrschte H ochwasser, und es war gefährlich, die Flüsse zu überqueren. Infolge des Krieges ließ auch der Zustand der Brücken zu wünschen übrig, was sie häufig unpassierbar machte.
    Ross lenkte heute den Wagen selbst und beschäftigte sich jetzt damit, die Pferde in die

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