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Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Titel: Jenseits der Alpen - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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sollte sie Angst haben?
    Der Zug legte sich in eine Rechtskurve. Gollek merkte es daran, dass er leicht auf die linke Seite gedrückt wurde. Wie oft war er diese Strecke schon gefahren? Fünfundzwanzig Mal? Dreißig Mal? Bei Tag und bei Nacht. Das gleichmäßige Fahrgeräusch hatte immer etwas Beruhigendes. Heute aber konnte er dabei nicht entspannen. Lag es an dieser Frau?
    »Selma!«, rief er halblaut und drückte den kleinen Schalter in der Kabine. Das dämmrige Licht ging an.
    »Sel…!«
    Sie war zur Seite gesunken, die Augen geschlossen. Er musterte sie mit einem merkwürdigen Blick. Eine unheimliche Lust zu rauchen überkam ihn plötzlich. Er rutschte zwischen den Rückenlehnen hindurch nach vorn. Nicht, dass er auf einmal Erste-Hilfe-Gefühle bekommen hätte. Er hatte nur absolut keine Lust, eine besinnungslose, übel riechende Frau in seiner Fahrerkabine zu beherbergen.
    Er warf einen Blick auf die Uhr. Die Fahrtzeit war nicht sehr lang, insgesamt eine Stunde zwanzig vom Brenner bis nach Wörgl. Die hätte er gern mit etwas Lustvollerem ausgefüllt als mit Herumsitzen, Geruch ertragen und warten. Keuchend massierte er sich den Hals und ließ das Fenster einen Spalt herunter, um frische Luft hereinzulassen.
    Der Zug hatte sein Tempo verlangsamt und durchquerte den Hauptbahnhof von Innsbruck. Anschließend würde er durch das österreichische Inntal rattern, vorbei an Wattens, Schwaz und Reith, bevor er dann in die Endstation Wörgl einlief. Gollek war bekannt, dass sich rechts im Osten in mittlerer Entfernung die Berge erhoben und sich links die weite Ebene mit dem grünen Strom erstreckte.
    Er zündete sich eine Zigarette an und starrte sekundenlang aus dem Fenster. Dann ließ er es wieder hochsurren. Der schlimme Geruch hatte sich verzogen. Golleks Gefühle schwankten zwischen Unschlüssigkeit und wachsendem Zorn. Sollte er warten, bis die Dame wieder erwachte? Er war kein Mann von immenser Geduld. Wenn er sie noch einmal hernehmen wollte, müsste sie jetzt wach werden.
    Die brennende Zigarette legte er ab. Instinktiv beugte er sich über Selma und küsste sie auf den Mund. Im prallen Leben hatte sie gummirote Lippen, nun aber glichen sie schmelzender Butter. Er fand es nicht schwer, diese blassen Lippen mit der Zunge zu öffnen, bis er die Schneidezähne fühlen konnte. Mit der Präzision und Leichtigkeit des erfahrenen Liebhabers knöpfte er die Wolljacke auf, die sie sich am See übergezogen hatte, und griff ihr tief in die Bluse, bis seine Hand eine nackte Brust umwölbte. Sie hatte schöne Brüste, wenn auch etwas zu groß, wie er festgestellt hatte. Ihr Mund schmolz unter dem Druck seines mächtigen Kiefers. Sie blies heftig und eine Ewigkeit lang durch schwarze geblähte Nüstern und schlug kurz darauf die Augen auf.
    Seine Gier war mit jedem Bahnkilometer gewachsen. Der Zug mit den zwölf Fahrzeugen darauf hatte Kilometer um Kilometer verschlungen. Es blieb nicht mehr viel Zeit. Er trennte sich wieder von ihrer Brust, seine Hand schlüpfte aus der Bluse.
    Ein spontaner Gedanke schoss Thorsten Gollek durch den Kopf. Es war Silvesterabend, und an Tagen wie diesen pflegte er mit seiner Familie zu telefonieren, wenn er unterwegs war. Helen daheim in Rosenheim würde todsicher schon lange darauf warten. Noch mehr aber der Bub. Schon wegen ihm, dem kleinen Karl, müsste er sich melden. Allein schon um sich zu erkundigen, wie es dem Hund erging.
    Ein paar italienische Brocken kamen schwach aus ihrem Mund. Das riss ihn aus seinen Gedanken. Er schwieg. Sah sie nur an. Ihr Blick folgte ihm.
    »Sigaretta?«, fragte sie und richtete sich auf. Sie nestelte an ihrer Kleidung herum.
    Er packte ihre Hand und legte sie in seinen Schritt, sodass sie sein erigiertes Glied spüren musste. Sie zuckte zurück und sah ihn groß an.
    »He, beeil dich«, sagte er. »Du willst doch auch noch mal.«
    Sie machte eine fragende Miene.
    »Na was wohl? Ficken!«
    »Sigaretta!«
    Er gab ihr eine. Er gab ihr auch Feuer.
    Sie saugte drei-, viermal in hastigen Zügen. Er ließ das Fenster wieder einen Spalt herunter. Er nahm ihre Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger und schnippte sie durch den Spalt hinaus in den Fahrtwind. Erschreckt sah sie ihn an.
    »Los, komm mit nach hinten«, befahl er. Er kletterte zwischen den Sitzen in die Koje mit dem zerwühlten weißblauen Laken. Mit so etwas wie gutmütiger Arroganz musterte Selma ihn. Sie zögerte.
    Auch der Zug zögerte. Er ruckelte und schaukelte. Das Tempo wurde spürbar

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