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Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Titel: Jenseits der Alpen - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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der Kojendecke. Ihr Kopf war durch die leichten Schläge wie träumend zur Seite gesunken, und die Lippen standen ein wenig offen. Verloren wirkte sie und jung. Wesentlich jünger als vorher.
    Und sehr leblos wirkte sie. Wie tot.
    Jetzt erst bemerkte er den Harndrang, der ihn plagte. Nackt, wie er war, machte er einen Satz nach vorn über die Frau und die Rückenlehne hinweg und riss die Fahrertür auf.
    Polizia!
    Die zwei Typen von vorhin standen wieder vor ihm und tippten an ihren Mützenschirm. Belustigt musterten sie ihn. Der eine – er hatte sich lange nicht rasiert – richtete eine Taschenlampe auf ihn, der andere – er trug einen ausgewachsenen schwarzen Schnauzer – wollte ihn festhalten.
    Gollek riss sich los. »Bieseln!«, rief er aus der Dunkelheit zurück. »Urino!«
    Er hörte ihre Rufe. Obwohl er kein Wort verstand, hörte es sich ziemlich ernst und humorlos an. Als er zurückkam, war der mit dem Schnauzer hinaufgeklettert, der andere musterte ihn mit ernster Miene wie einen Galeerensklaven.
    Er bekam seine Kleidung von oben zugeworfen. Man bedeutete ihm, sich anzuziehen. Auf ein Wort seines Kollegen hin eilte der Unrasierte zum Polizeiwagen, der mit eingeschalteten Scheinwerfern und laufendem Motor wenige Meter weiter parkte, und kam mit einer Kamera zurück. Er reichte sie hinauf. Kurz darauf klickte der Verschluss, und Blitzlicht leuchtete auf.
    Dann hörte er sie. Zuerst nur sehr schwach und kaum vernehmbar. Ein Schwall Italienisch folgte. Kein Zweifel, es war Selmas Stimme.
    Der Kopf des Polizisten erschien. Er hatte die Mütze abgenommen und zwirbelte mit der anderen Hand an seinem Bart herum. Er sagte etwas, das sogar in der fremden Sprache nach Entwarnung klang. Dann hörte Gollek ihn Deutsch sprechen.
    »Sie ist wieder bei Besinnung. Sie war wohl ohnmächtig geworden.« Der Polizist warf einen anerkennenden Blick in Golleks Richtung. »Sie sagt, ihr gehe es gut.«
    Warum der Italiener plötzlich Deutsch sprach, interessierte vorerst nur am Rande. Selma tauchte auf. Sie hatte sich ihr Oberteil übergestreift, unten war sie noch immer nackt. Die Schwärze ihrer Scham war schwärzer als die Nacht und leuchtender als der Abendstern.
    »Grazie!« , rief sie Gollek zu. »Mille grazie.«
    Sie behielt den Mund leicht geöffnet und zog sich endlich auch unten etwas über.
    Bestimmt zehn Minuten hatte der Schnauzbart das Innere des Lkws abgesucht, während sein Kollege die Szenerie im Auge behielt. Er sucht nach Drogen, war sich Gollek sicher.
    Als der Schnauzbärtige mit der Kamera in der Hand wieder die drei Stufen hinabstieg, hatten sich auf seiner Stirn drei senkrechte Falten gebildet. Seinem Kollegen gegenüber machte er eine hilflose Geste. Nichts gefunden, sollte das wohl bedeuten. Dann schaute er den Fahrer an.
    »Anhalterin, oder? Ist ja noch mal gut gegangen. Wir mussten annehmen, sie sei tot. Sie hat ja wie am Spieß geschrien. Mein Kollege …«, er deutete mit dem Kinn auf den anderen, »… hat Sie schon für einen Mörder gehalten. Assassino , hehehehe.«
    Der Südtiroler Akzent war in den Ohren des weit herumgekommenen Thorsten Gollek unverkennbar. Ja, noch mal Glück gehabt, dachte auch er.
    Selma Ruspanti hatte sich auf den Boden des Führerhauses gesetzt und ließ die Füße baumeln. Farbe war in ihr Gesicht zurückgekehrt. Der Unrasierte trat noch einmal auf sie zu und fragte sie offensichtlich, ob sie sich wohlfühle und ob alles okay sei.
    Wort- und gestenreich bejahte Selma. Sie nickte mit dem Kopf zu Gollek hin und lächelte ihn an.
    Die Polizisten zogen den Kopf ein und gingen langsam zu ihrem Fahrzeug zurück. Auf den letzten Metern drehte sich der Tiroler mit dem Schnauzer um, sah Gollek an und fragte: »Wie lange ist die Kleine schon bei Ihnen?«
    Gollek hatte keine Lust, exakte Daten anzugeben. Er tat, als ob er nachdachte. »Schon möglich«, sagte er schließlich.
    Dem Polizist war nicht nach Scherzen zumute. Er tat ein paar Schritte vor. »Ich habe Sie etwas gefragt«, hakte er nach. »Wie lange?«
    »Seit vorgestern«, log Gollek. »Sofia ist in Modena zugestiegen. Sie ist mir regelrecht ans Herz gewachsen.« Er warf einen kurzen Blick auf Selma und lächelte ihr zu.
    Sie lächelte zurück.
    »Wie verständigt ihr euch?« Es war offensichtlich: Er tat seine Pflicht, der Polizist.
    Gollek kratzte sich am Oberschenkel. »Bei uns braucht’s keine Worte. Wir verstehen uns auch so.«
    »Ich will Sie nur warnen. Die Anzeichen, die sie hat, lassen auf Drogenmissbrauch

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