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Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Titel: Jenseits der Alpen - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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auf ihn. Ihre Hand vibrierte. Im schwachen Licht erkannte er eine mit blauen und roten Glasperlen besetzte Handtasche, wie bessere Damen sie zu besonderen Gelegenheiten trugen. Sie musste sie aus dem Rucksack geholt haben.
    Er ließ sich nicht anmerken, wie überrascht er war, die Pistole in ihrer Hand zu sehen. Es war offensichtlich, dass die Schusswaffe aus Metall war und echt. Ansatzlos, ohne jedes Zögern, schoss sein Arm nach vorn. Er nahm den Schwung mit, als er ihr die Pistole mit voller Wucht quer in den Mund stieß. Ein Geräusch wie rauer Sand auf geschliffenem Fels. Blut spritzte. Zähne brachen. In ihren Augen erlosch der Glanz.
    Er hielt inne. Er hatte sie nicht von vornherein töten wollen. Doch nun blieb ihm nichts anderes übrig, als das Werk zu vollenden. Er ließ den Motor weiterlaufen. Der Lkw vibrierte wie ein startender Falter.
    Die vornehme Tasche leerte er und warf sie aus dem Fenster. Wie kam sie bloß zu diesem Ding? Dann beugte er sich ganz über den reglosen Körper, legte beide Hände um ihren Hals – es war ein dünner Hals – und drückte mit den Daumen so lange zu, bis er sicher sein konnte, dass sie endgültig tot war. Sie wehrte sich nicht und gab keinen Laut von sich. Vorsichtshalber drosch er noch mit der Handkante gegen ihren Kehlkopf.
    Er hatte sie vorhin schon für tot gehalten. Diesmal war es endgültig. Sie atmete nicht mehr. Ihr Gesicht war verschoben und voller Blut. Was vorher symmetrisch gewesen war, neigte sich jetzt zur Seite wie ein übervoller Lkw.
    Das war die Rache dafür, was sie ihm angetan hatte. Die Schlampe hätte ihn glatt im Schneesturm verrecken lassen. Ihm graute noch jetzt bei dem Gedanken. Ja, das hatte sie jetzt davon.
    Die Pistole steckte er ins Mittelfach. Er würde sie später entsorgen. Als er einen halben Kilometer gefahren war, spürte er einen kleinen Anflug von Trauer. Er hätte die Tasche nicht wegwerfen sollen. Er hätte sie Helen mitbringen können.

München, 1. bis 5.   Januar 2000
    Sibylle Sauerwein hatte mit der Familie und unter mäßigem Alkoholkonsum ins neue Jahrtausend hineingefeiert. Sie war eine kräftig gebaute Frau von Ende dreißig. Wenige Monate zuvor hatte sie zwei jugendliche Fahrraddiebe zu Fuß verfolgt. Die beiden jungen Männer lachten sie aus, als sie auf ihre unbeholfene Art zu laufen begann. Als sie die beiden nach einigen hundert Metern gestellt und am Boden festgehalten hatte, bis die Polizei kam, lachten sie nicht mehr.
    Sibi Sauerwein arbeitete in der Nähe des Tegernsees bei der Volksbank Miesbach und wohnte auch im selben Ort. Es war vereinbart, dass sie unmittelbar nach dem Jahreswechsel ihren Chef anrufen sollte. Er bräuchte ihre Hilfe, falls eintreffen sollte, was prophezeit worden war. Dann würde sie sich unverzüglich zur Bank begeben müssen. Bevor sie gegen halb zwei todmüde ins Bett fiel, tätigte sie diesen Anruf. Ihre Herzfrequenz fiel erst wieder unter hundert, als sie erfuhr, dass die Bank weder explodiert noch alle Konten vermischt noch alle Passwörter gelöscht worden waren. Auch die Geldautomaten stünden noch und würden funktionieren. Somit waren die Befürchtungen, die sie alle gehabt hatten, unberechtigt gewesen und hiermit ausgestanden. »Sicher wieder eine Verschwörungstheorie der Medien und irgendwelcher Umfrage-Institute«, sagte ihr Chef abschließend. »Ich glaube nicht, dass etwas passiert.«
    Der Neujahrstag 2000 war ein Samstag. Diesen Samstag brauchte Sibylle Sauerwein, um sich von der Silvesterfeier zu erholen. Am Sonntag, dem 2.   Januar, gegen acht Uhr schellte es an ihrer Tür. Traudl, ihre Freundin.
    »Sibi, Liebes, tust du mir einen Gefallen? Ich habe Jochen versprochen, dass die Kleinen heute zu ihm nach München kommen. Er hat sie jetzt zwei Monate nicht gesehen. Und ich muss zu meiner Mutter ins Pflegeheim. Sie ist krank geworden.«
    Was sollte Sibi machen?
    Sie verständigte Jochen, Traudls geschiedenen Mann, packte die beiden Mädchen ins Auto und fuhr los, gar nicht einmal ungern. Sie mochte Jochen und wäre nicht abgeneigt, wenn er sie beispielsweise in München auf ein Glas zum Dallmayr oder zu Mittag auf ein Steak ins Tal einladen würde.
    Es war ein Tag wie im Bilderbuch. Einstellige Minusgrade, eine tief stehende Morgensonne, glitzernder Schnee, wohin man blickte. Die Autobahn war frei.
    Natürlich mussten die Mädchen vor München bieseln. Mädchen müssen immer bieseln, wenn’s aufregend wird. Bei Kilometer dreizehn verließ Sibi die Autobahn und fuhr auf

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