Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Titel: Jenseits der Alpen - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
Vom Netzwerk:
Tochter.

Rosenheim, 19. bis 23.   April 2000
    Auf den ersten Blick sah der Rosenheimer Bahnhof von außen ganz manierlich aus. Ein würfelförmiges Ding mit viel Glas, Mosaik und einer altertümlichen Bahnhofsuhr. Wenn man das Gebäude jedoch betrat, stellte man fest, dass es hoffnungslos veraltet war.
    Joe Ottakring sah sich um. Vor ihm in vierzig Metern Entfernung der Zugang zu den Bahnsteigen, rechts hinter einer Glastür die Information, rechts daneben der Presseladen, in der Mitte ein Infostand, links Lotto und Brötchen. Ein Regionalbahnhof wie jeder andere. Vorsichtshalber warf er einen Blick auf die Ankunftszeiten. 20.37   Uhr aus Richtung Innsbruck, Bahnsteig 3.
    Während er sich von dem Autounfall hatte erholen müssen, hatten Waller und Agnes gute Arbeit geleistet. Sie hatten die Herkunft und das Lebensumfeld der Ermordeten durchleuchtet, hatten Zeugen aufgestöbert und vor allem Selma Ruspantis letzten Weg über die Rollende Landstraße sauber rekonstruiert. Das Ergebnis nunmehr auszuwerten, nämlich fünfundsiebzig Fernfahrer aufzuspüren und anzuhören, würde eine Sauarbeit werden. Man müsste die Speditionen kontaktieren und über sie den jeweiligen Standort der Fahrer herausfinden.
    »Achtung an Bahnsteig 3«, dröhnte es durch die Halle. »Der Eurocity aus Richtung Innsbruck …«
    Ottakring setzte sich in Trab, vierunddreißig Stufen abwärts, vierzig Meter gehen, vierunddreißig Stufen aufwärts. Bei solchen Gelegenheiten merkte er wieder, dass er nicht mehr der Jüngste war und dass der verletzte Arm noch wehtat. Als er oben ankam, war er außer Puste. Die üblichen Rückenschmerzen waren schon zur Gewohnheit geworden.
    Quietschend hielt der Zug. Er war überfüllt. Heißer Dampf und unangenehmer Geruch quollen aus Türen und Fenstern. Ottakrings Blick war suchend in die Ferne gerichtet. Dabei hatte Waller schon von Weitem gewinkt. Ottakring stieß beinahe mit ihm zusammen. Agnes kam hinter Waller hergetrippelt. Ihr Rucksack reichte fast bis in die Kniekehlen.
    »Haben Sie schon etwas gegessen?«, fragte der Kriminalrat.
    Als wäre Essen das Wichtigste von der Welt, wenn zwei von einer sensiblen Aufklärungsfahrt zurückkehren. Waller und Agnes sahen sich an. Die kleine Frau zuckte mit den Achseln.
    »Wir haben die kühle Brennerluft genossen. Das reicht uns eine Weile. Nicht wahr, Agnes?«
    Agnes plusterte sich auf wie ein gieriger Raubvogel. »Ich habe Hunger!«, keuchte sie kurz vor dem Verenden.
    Das Giornale lag zehn Minuten Fußweg entfernt in der Fußgängerzone. Ottakring hatte es empfohlen bekommen. Als würde er das Lokal schon lange kennen, wanderte er an der Bar im Eingangsbereich vorbei zu den hinteren Tischen.
    Waller musste seiner Aussage treu bleiben. Er nahm nur einen Kaffee. Ottakring bestellte einen kleinen Vorspeisenteller, und Agnes stürzte sich auf einen großen Eimer Spaghetti mit Salat.
    »Neunundsechzig der fünfundsiebzig Lkws gehören zu genau zehn verschiedenen Speditionen. Neben Deutschland«, Waller nahm seine Liste zu Hilfe, »sind das Unternehmen aus Griechenland, der Türkei, der Ukraine, Litauen, Lettland, Polen, Schweden, Österreich und Italien. Das wird nicht leicht, sie alle unter einen Hut zu bekommen.«
    »Lassen Sie sehen«, sagte Ottakring und streckte die Hand aus. Sechsundsiebzig Namen waren aufgeführt, sorgfältig durchnummeriert von A wie Aventoft bis W wie Wegener. Dahinter war die Spedition genannt, für die der Fahrer arbeitete. Einer davon ist ein brutaler Mörder, musste er denken. Wir werden dich kriegen!
    Agnes hatte ihren Teller fast leer gegessen. Ottakring wiegte anerkennend den Kopf.
    Seine Fingerspitze fuhr über das Papier. »Sechs Fahrer sind demnach selbstständig und arbeiten auf eigene Rechnung. Auch ihre Adressen stehen dabei.« In seinem Kopf arbeiteten die Rädchen. Bis Agnes sich auch noch über seinen eigenen Restteller Antipasti mit großem Appetit hergemacht hatte, überlegte er laut, wie sie vorgehen wollten.
    »Bis wir in der Türkei, in der Ukraine und in den baltischen Staaten mit Rechtshilfeersuchen weiterkommen, vergehen Jahre, wenn wir Glück haben. Ich schlage also vor, dass wir uns angesichts des Hinweises, dass es sich um einen norddeutschen Fahrer gehandelt habe, zunächst den zugänglicheren Fällen widmen und hoffen, dass unser Freund dabei ist.«
    Agnes wischte sich den Mund ab und strich sich über den Bauch. Sie hatte fertig gegessen. »Ich hatte mir ja vorgestellt«, sagte sie, »dass wir uns alle Fahrer

Weitere Kostenlose Bücher