Jenseits der Alpen - Kriminalroman
bei uns in Deutschland schnappen, wenn sie irgendwann wieder einmal durchs Inntal rollen. Oder die über die RoLa nach Österreich und Deutschland kommen. Für diese Aufgabe könnten wir auch die Bundespolizei hinzuziehen.« Sie winkte selbst ab. »Aber das wird zu kompliziert bis unmöglich, weil ja nur einzelne Fahrer in Frage kommen.«
»Gar nicht so schlecht«, sagte Ottakring. »Fangen Sie ruhig schon einmal mit den Vorbereitungen an. Nehmen Sie die Rosenheimer SoKo-Truppe mit dazu. Wenn alle Stricke reißen, können wir auf Ihre Nachforschungen zurückgreifen.«
Agnes nickte wohlwollend.
Sie vereinbarten, dass Ottakring sich um die sechs Selbstständigen kümmern würde und um die in Österreich Ansässigen. Das waren die meisten. Waller würde vorerst Italien übernehmen.
»In spätestens drei Wochen wollen wir die Liste abgearbeitet haben«, bestimmte Ottakring mit ernster Miene. Die innere Erregung, die ihn jedes Mal ergriff, wenn er in die entscheidende Phase geriet, packte ihn auch diesmal wieder. Er hatte die Absicht, den Täter dazu zu bringen, sich zu bewegen.
* * *
Waller wunderte sich über Ottakring. Er war vor einer Kirche in Olbia brutal über den Haufen gefahren worden. Er war schwer verletzt gewesen, hatte lange im Krankenhaus gelegen, und nun sprang er herum wie ein junges Reh. Manchmal wirkte er etwas unkonzentriert und abwesend. Ihm war zu Ohren gekommen, dass Ottakring auch ein Privatleben hatte, was man ihm gar nicht zutraute. Mit einer bekannten Radiosprecherin war er verbandelt. Sie hatte Waller in Olbia sogar angerufen.
Das erinnerte ihn wiederum an Mariedda. Hübscher Busen, Hintern wie eine Birne und auch sonst sehr attraktiv und gescheit. Ob er sie wohl noch einmal wiedersehen würde? Sie hatten Telefonnummern ausgetauscht, doch bis jetzt hatte sie sich nicht gemeldet.
* * *
»Schaut euch das an«, sagte Ottakring.
Sie hatten sich im Sitzungsraum versammelt. Die Münchener und die Rosenheimer Gruppe und Werz. Vorn auf die weiße Wand wurden zwei scharfe Fotografien projiziert.
»Wir haben die Phantombilder als richtige Fotografien aufpeppen lassen«, begann Joe Ottakring.
»Künstlerisch wertvoll«, zwitscherte Jenny Galland und warf provozierend den Kopf nach hinten.
»Und wen stellt das zweite Bild dar?«, warf Eberl ein.
Ottakring blieb souverän. »Es sind fotorealistische Darstellungen. Links das Bild, das nach den Angaben der Kellnerin in dem italienischen Truckstop gefertigt wurde. Das Bild, das wir bereits kennen. Rechts aber seht ihr das Bild, das wir gestern aufgrund der Aussagen des entführten Rosenheimer Mädchens erhalten haben. Fällt euch dabei etwas auf?«
Die Ähnlichkeit, ja fast Gleichheit der Gesichter, war unschwer zu erkennen.
»Das bedeutet, dass der Serienmörder in Rosenheim eingefallen ist. Er hat sich das Mädchen vor dem Kino geschnappt. Warum er es hat laufen lassen, ist ein wunderbarer Umstand, bleibt vorerst aber ein Rätsel. Morgen, wenn mit der DNA auch das genetische Phantombild da ist, werden wir hundertprozentige Sicherheit haben.«
»Und? Was machen wir jetzt?«, fragte Tom von den Rosenheimern. Sein gegeltes dunkles Haar stand in alle Richtungen ab. Das spitze Gesicht passte zu diesem Igel.
»Was schlagen Sie vor?«, sagte Ottakring.
»Mit beiden Bildern bundesweit an die Öffentlichkeit gehen. Presse, Fernsehen, Twitter und so. Ich schnapp mir den Pressesprecher, wenn Sie erlauben, und bereite ihn vor. Und dann abwarten, was kommt. Wenn die Porträts nur halbwegs gut getroffen sind, wird das ein Volltreffer.«
»Bingo!«, sagte Ottakring. »Wir werden aber nur ein Bild verwenden. Das, was von dem Mädchen stammt. Zwei würden verwirren.«
Der behäbige Mayr meldete sich noch einmal zu Wort. Ohne Schnurrbartzwirbeln ging es bei ihm nicht. »Ich weise darauf hin, dass wir es mit einem Fernfahrer zu tun haben. Diese Berufsgruppe ist viel unterwegs, und öffentlich ist ein Einzelner vielleicht gar nicht bekannt. Nicht einmal am Heimatort.« Dann stand Mayr auf. Das tat er immer, wenn er etwas von großer Bedeutung zu sagen hatte. »Hat vielleicht schon einmal jemand daran gedacht, das Bild an alle Speditionen zu schicken? Wir haben alle Adressen … Außerdem gebe ich zu bedenken, dass der Täter gewarnt werden könnte, wenn er unsere medialen Bemühungen –«, Mayr hüstelte in die vorgehaltene Hand, »äh, mitbekäme.«
»Mensch, Mayr, das ist die Lösung! Warum sind wir nicht gleich darauf gekommen«, jubelte Waller,
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