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Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)

Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)

Titel: Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Dorpema
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da ihm das Gold locker in der Tasche saß – ein schwarzes Hemd aus elfischer Seide und dunkelgraue Hosen aus feinem Leder. Anschließend schnitt er sich widerwillig seine Haare kurz. Als Lannus an einem Fenster vorbeischritt, welches nicht von Schmutz verschmiert war, betrachtete er seine kahle Spiegelung eingängig. Dort sah er keinen Lannus; keinen einfachen Dieb, sondern einen Gejagten. Nun musste er entkommen.
    Um keine weitere Zeit zu verlieren, machte Lannus sich auf den Weg zum westlichen Tor der Stadt. Er kam an einer Vielzahl ein- und zweistöckiger, schiefer Holzhäuser vorbei, die allesamt aussahen, als stünden sie kurz vor ihrem ruhmlosen Ende als Ruine. Die Figuren in diesem trostlosen Teil Mentéls flößten ihm Furcht ein. Zwischen den dreckverkrusteten Mänteln mit tiefen, henkerartigen Kapuzen fühlte er sich beinahe so, als wäre er auf einem Friedhof mit versteckten Gräbern gelandet. Auch deswegen war Lannus erleichtert, als er das niedrige Tor der Stadtmauer erreichte, auf welchem Wachen zu jeder Zeit patrouillierten und jeden durchsuchten, der hinein oder hinaus wollte. Mit rasendem Herzen näherte sich der Gejagte seiner beinahe sicheren Freiheit. Direkt vor dem Tor blieb er abrupt stehen. Eine Wache versperrte ihm den Weg.
    „ Ich bin ein Händler aus den Regionen der Südküste und befinde mich auf Durchreise. Öffnet das Tor und lasst mich passieren.“ kündigte Lannus sich theatralisch an.
    Die erfahrene Wache mit dem vernarbten Gesicht und dem zwei Schritt langen Speer wirkte nicht sonderlich beeindruckt von seiner Geschichte.
    „ Womit handelst du?“ fragte der Mann forsch.
    „ Seidenstoffen und Waffen. All das, was sich lohnt.“ lautete Lannus‘ Antwort. Er hielt seine Fassade hervorragend aufrecht, lobte er sich selber in Gedanken.
    Die Wache starrte ihn für einige Augenblicke an, bevor sie den Weg freigab und den Befehl rief, das Tor zu öffnen. Lannus wagte es nicht aufzuatmen und bedankte sich mit einer kurzen Verbeugung, bevor er das Tor zu seiner Sicherheit passierte.
    Die Luft war kühler auf der anderen Seite der Mauer, frischer und natürlicher. Er sog sie mit tiefen Atemzügen ein, während er Teranon sattelte und auf der staubigen Straße gen Westen davon galoppierte. Er hatte es geschafft. Nun würde er von der Größe der Insel verschluckt werden. Nun konnte er ein neues Leben beginnen.
    Als er an einem einsamen, hohen Baum vorbeikam, welcher einen einladenden Schatten über die graue Straße warf, stieg er ab und ging zu den Ästen hinüber, an denen saftige Äpfel in der Mittagssonne baumelten. Mit einem prächtigen Exemplar in der Hand, setzte Lannus sich erleichtert aber müde an den Wegrand. Ein zufriedener Seufzer entwich seiner Lunge.
    Überall schimmerte saftiges, grünes Gras. In der Ferne waren, nahezu unsichtbar, die Silhouetten einiger Berge zu erkennen. Da Lannus sich in seinen gesamten Leben noch kein einziges Mal aus den Stadtmauern Mentéls gewagt hatte, konnte er das Gebirge jedoch nicht benennen. Städte waren ihm wesentlich lieber. Aus irgendeinem Grund konnte er sich in den wirren, finsteren Gassen besser zurechtfinden, als auf den gigantischen, offenen Flächen. Allmählich dämmerte ihm die einzige Legende über Gebirge, mit der er vertraut war. Soweit er sich erinnern konnte, handelte sie von einem unbekannten Geschöpf, einem Hybriden, welcher seine Opfer durch unmögliche Prüfungen quälte. Doch so tief er auch grub, den Namen der Gebirgskette vermochte er seinen Erinnerungen nicht zu entreißen.
    Die Sonne stand hoch am Himmel und Hunger füllte seinen Bauch mit Leere.
    Eine Bewegung in seinem Augenwinkel ließ ihn aufblicken. Auf der anderen Seite der Straße huschte ein flinker, weißer Hase durch das niedrige Gras. Eine ausgezeichnete Gelegenheit das Jagen zu üben, denn schließlich musste er sich nun, da er sich nicht mehr in der Stadt befand, selber um seine Mahlzeiten kümmern. Harmlose Tiere erlegen zu können, war von höchster Wichtigkeit.
    Das Einzige, an dem es ihm nun mangelte, war eine Taktik, mit welcher man den Hasen fangen konnte, ohne einen Bogen oder eine andere Fernkampfwaffe zu besitzen; sein Dolch würde bei der Jagd vermutlich nicht von enormem Wert sein.
    Instinktiv tastete er den umliegenden Boden nach einem Stein oder einem Ast ab, ohne seine Augen von der Beute zu wenden. Lannus überlegte, ob er vermochte, sich nahe genug an den Hasen heranzuschleichen, um ihn mit Hilfe eines etwas längeren Astes zu

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