Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)
vor.“ keuchte Lannus. Obwohl der Lärm Lannus‘ Worte erstickte, konnte Dante sich ausmalen, was die Lippen formten und signalisierte ihm, dass er Garandor helfen wollte, indem er seine flache Hand in einer Größen-beschreibenden Geste neben seine Hüfte hielt und mit der anderen einen imaginären Bart strich.
„ Das schaffst du nicht.“ schrie Lannus und versuchte die Hand des jungen Kriegers zu packen, um ihn mit sich zu zerren. Doch Dante riss sich los und blickte ihn traurig, verabschiedend an, als kenne er sein Schicksal bereits. Lannus schüttelte ein letztes Mal den Kopf, bevor er sich umdrehte und lief, so rasch er konnte.
Ein flüchtiger Blick in die Höhe verriet ihm, dass er weder Garandor noch die anderen Auserwählten jemals wieder zu Gesicht bekommen würde, sollte er den Zwerg nicht erblicken, sobald er die nächste Kurve erreichte. Und selbst dann standen seine Sterne nicht gut. Zumindest würde er nicht einsam untergehen, dachte der Krieger bitter. Es kam ihm wie ein Wunder vor, als er Garandor erblickte, welcher mit Verzweiflung in den Augen rannte, so schnell ihn seine kurzen Beine trugen. Ein letzter Blick nach oben und Dante wusste, dass er sterben würde. In vollem Lauf hechtete er sich auf Garandor und erblickte im letzten Moment eine Felsspalte, beinahe groß genug für einen von ihnen. Dennoch presste er den Zwerg dagegen und befand sich selber im Freien, als sie unter einem erstickenden, weißen Leichentuch begraben wurden.
XXIX
Addor fühlte sich unglaublich wohl in den Grotten der Telénastiere. Schließlich waren sie seine zweite Heimat. Die zwielichtigen, verwesenden Löcher unter der Erde, in denen es fortwährend nach dem Blut und Schweiß der Menschen – sie stellten die Hauptnahrungsquelle der Stiere dar – roch, sagten ihm schlichtweg zu. Die Tatsache, dass er binnen weniger Sekunden der Vergangenheit angehören konnte, sollte eine der furchteinflößenden Bestien nicht bei Laune sein, verängstigte ihn nicht, da er sich keinen besseren Ort zum Sterben vorstellen konnte.
Gemächlichen Schrittes schlenderte Addor tiefer in die Grotte. Er lief durch einen Tunnel, an dessen Ende bereits ein schwacher Lichtschein zu erahnen war. Die Wände wurden kantiger und bekamen eine rötliche Schattierung. Die Intensität des Geruchs steigerte sich mit jedem Schritt. Ein Großteil der Opfer, welche durch diesen Tunnel geführt wurden, hätte sich an dieser Stelle bereits übergeben, doch Addor hatte sich in seinen unzähligen Monden in der Tiefe an den schwefeligen Gestank gewöhnt. Als dritter Stiermeister verbrachte er beinahe mehr Zeit in den tiefen Gewölben der Schlucht Geroth als in seiner eigenen Grotte.
Er war erst kürzlich befördert worden, da sein Vorgänger bei einem unaufhaltsamen Wutausbruch des mächtigsten Tieres der gesamten Horde zertrümmert worden war. Addor befand, dass er selbst seine Arbeit hervorragend ausübte. Beinahe jeder der fünftausend Telénastiere gehorchte seinen Befehlen. Eine Tatsache die es allerdings nicht vermochte, seinen Erfolg und seine Freude zu schmälern.
Leise summend – oder leise grunzend, in elfischen, menschlichen und gar zwergischen Ohren – marschierte Addor stets weiter in die Tiefe, um eine selektierte Gruppe der Tiere auf eine denkbar einfache Mission – mit dem Ziel einen Trupp bestehend aus einem ranghohen Elfen, zwei Menschen und einem Zwerg aufzuspüren und umzubringen –vorzubereiten. Sein grunzendes Lachen erfüllte den niedrigen Tunnel, als er grinsend seinen Kopf schüttelte. Es waren merkwürdige Zeiten, in denen sie lebten; Menschen, Elfen und Zwerge gemeinsam auf einer Mission. Man müsste Schriften aus der Zeit Nithrals aufrollen, um ein ähnliches Ereignis zu entdecken. Die Mission würde mit Sicherheit ein königlicher Spaß und ein voller Erfolg werden, denn gegen fünfzehn Telénastiere konnte der lächerliche Haufen nicht bestehen, ganz gleich ob der Elf Zauber wirken konnte oder nicht.
Addor erreichte das Ende des unterirdischen Ganges und betrat eine enorme Halle beinahe direkt unter dem mächtigen Turm Latenors, wodurch sein Rückgrat sich aufrichtete und sein Kopf eine leichte Hebung erfuhr, da sein Rang ihn mit Stolz erfüllte. Die bestialischen Geräusche und der verachtenswerte Gestank der Tiere schwängerten die Luft. Ohrenbetäubende orkische Befehle und das widerwärtige Schmatzen, als einer der Orks sich zu nahe an einen Käfig wagte, streichelten Addors
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