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Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)

Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)

Titel: Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Dorpema
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heimsuchten.“ Er verstummte für einige, blinzelnde Augenblicke und fuhr wie aus dem Nichts fort.
    „ Doch. Ich habe etwas Anderes gespürt. Es fühlte sich an, als ob Nebel in mich eindrang, als ich mit offenem Mund dort stand und der Stimme lauschte. Aber nun fühle ich nichts mehr. Ich bin leerer als zuvor.“
    Während Lannus den letzten Satz sprach, verwandelte seine Stimme sich, wurde stets nachdenklicher, wurde schwermütig, blass.
    Waldoran schien darüber nachzudenken, was dies zu bedeuten hatte, während Dante auf die Schwärze zumarschierte. Er blieb kurz vor dem weiterhin flammenden Torbogen stehen, drehte sich ein letztes Mal um, nahm einen tiefen Atemzug und verschwamm mit den regungslosen Schatten.
    Erneut schien die Zeit inmitten des Eises festzufrieren.
    Doch als Dante nach einer scheinbaren Ewigkeit aus der Dunkelheit wiederkehrte, konnten seine Gefährten spüren und sehen, dass er sich verändert hatte, konnten die Furcht vor dem was der Raum ihm offenbart hatte greifen. Sein Blick war starr. Besorgt lief Garandor zu seinem Freund.
    „ Dante.“ Eine ehrfürchtige Besorgnis dämpfte die Stimme Garandors und glättete die rauen Tiefen zu einem wohltuenden, sonoren Bass. Schließlich hatte Dante dem Zwerg das Leben gerettet.
    „ Ich –“ Er brach ab. Es kostete den jungen Menschenkrieger sichtlich Mühe zu sprechen.
    „ Ich habe Schreckliches gesehen. Bei den Göttern, lasst die Bilder verschwinden.“ Seine Trauer und sein Schock waren zu lähmend, als dass er hätte schluchzen können. Stattdessen erstickten ihn die ungeweinten Tränen.
    Waldoran sah Dante beunruhigt an, blieb jedoch tonlos. Keiner der drei wagte es zu fragen, was für Bilder ihr Gefährte gesehen hatte und Garandor wollte es auch gar nicht wissen. Nicht nachdem er sah, wie sie Dante quälten.
    Für gefühlte Monde versammelten sie sich um den Menschen herum und spendeten ihm Wärme. Garandor neben ihm, Lannus auf der anderen Seite und Waldoran stand vor ihm. Die Tränen waren aus ihrem menschlichen Käfig ausgebrochen und suchten sich einen Weg durch die Finger; wurden erbarmungslos zu Eis, um die Strafe zu verschärfen, stellte Garandor sich vor. Dante jedoch schien nicht mitzubekommen, dass seine Hand allmählich zu Eis wurde, weswegen der Zwerg sie nahm und die starren, bläulichen Tropfen herunterkratzte.
    Der Tränenfluss erstarb, der Bach versiegte, und Dante nahm die Hände vom Gesicht und die roten Augen waren Fenster seines Schmerzes. Garandor wollte wieder aufstehen und so rasch wie möglich aus der Höhle fliehen, doch Waldoran hielt ihn kalt zurück.
    „ Garandor. Du musst noch in die Höhle.“ Die Stimme war gedämpft.
    Ungläubig starrte der Zwerg den Elfen an.
    „ Du hast gesehen, wie es Dante ergangen ist. Du kannst mir nicht dasselbe antun.“ protestierte Garandor wütend und traurig, entsetzt.
    „ Ich möchte dir nichts antun, Garandor. Jeder von uns muss dort hineingehen. Ich verstehe zwar, dass du dich wehrst, doch du hast keine Wahl. Es war keine gute Idee, dich als Letzten hineingehen zu lassen, doch es gibt keine Alternative. Wir sind hier, weil es wichtig ist, das spüre ich. Jeder von uns muss die Dunkelheit über sich entscheiden lassen. Womöglich geschieht dir nichts, Garandor. Lannus und mir ist schließlich auch nichts widerfahren. Nichts Schlimmes, nichts Bleibendes, nichts Offensichtliches, selbstverständlich.“ erklärte Waldoran mit – in Garandors Ohren – geheuchelter Wärme und Freundlichkeit.
    Der Zwerg blickte zu dem flammenden Bogen, in dessen Mitte sich das Schwarz auszudehnen schien, je länger Garandor hinein starrte. Es wollte ihn aufsaugen, sich an seiner Seele und seinen Ängsten weiden. Er sah nur noch Muster und Farben. Eisblauer Rand um halbkreisförmiges Feuerrot, der Kern ein dimensionsloses Schwarz, alles ausblendend. Plötzlich wurden Köpfe aus den Formen und Farben. Bekannte und unbekannte Gesichter entstanden und redeten auf ihn ein. Drängten ihn hinein, hinein in das ewige Schwarz. Es war leicht sich gehen zu lassen, und doch nicht. Leicht, weil es sich stets zu erweitern schien, unendlich viel Platz bot; und schwer, weil es ihn niedertrampelte, ihn in seine miserabelsten und bittersten Ängste zerlegte. Es zerlegte seine Persönlichkeit in Stücke und breitete sie wie ein Tuch vor ihm aus. Er wurde wieder zusammengesetzt und verspürte nur noch eines. Angst.
    Verzweifelt schüttelte der Zwerg den Kopf und spürte Dantes kräftige Hand auf seiner Schulter.

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