Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)
den tiefen Abgrund stürzte.
„ Das müsste möglich sein.“ murmelte der Stiermeister mehr zu sich selber als zu den umherstehenden Orks, als er die Bestie vorsichtig nach vorne manövrierte. Er drehte sich um und rief,
„ Die Stiere kommen um Haaresbreite herüber. Wir passieren die Brücke der Reihe nach.“
Das ist die perfekte Gelegenheit.
Gerade als der erste Stier die Brücke überqueren wollte, sah Addor etwas aus dem Augenwinkel. Sofort schoss sein Kopf zur Seite.
XXXVI
Leere, weiße Augen starrten ausdruckslos geradeaus. Sie sahen nicht, was sich vor ihnen abspielte. Zumindest nicht, was in der Realität geschah. Vor seinem inneren Auge spielten sich tausend Sachen auf einmal ab. Für einige Augenblicke wusste Garandor nicht, ob die Szenen, die seinen Geist verwirrten, Wirklichkeit oder Einbildung waren. Doch plötzlich sah er die Realität vor sich, war sich sicher, dass dies die reale Welt sein musste. Und sie bestand aus einem puren, makellosen Weiß. Dann kam der Schock.
„ Garandor. Deine Augen, deine Augen haben die Pupillen verschluckt! Sie sind vollkommen weiß.“ Dante war nicht zu halten, als er auf den Zwerg zuhechtete.
„ Ich – Ich weiß es nicht. Ich kann nichts mehr sehen. Bitte helft mir, Dante. Waldoran, bitte.“ flehte Garandor, während er zitternd, mit vorsichtigen, tastenden Bewegungen an die eisige Wand gelangte und sich auf den Boden sackte.
Waldoran brachte sein eigenes Antlitz eine Handbreit vor das des Zwergs. Er roch den Gestank des Bartes, welcher seit Ewigkeiten nicht mehr gesäubert worden war. Er sah jede einzelne, tiefe Pore in dem grobschlächtigen Gesicht Garandors. Das furchteinflößende Weiß der Augen stach hervor und schien den Fürsten aufsaugen zu wollen. Waldoran schüttelte vehement den Kopf, um sich aus dem Nicht-Blick des Zwergs zu befreien.
„ Ich weiß nicht, was geschehen ist, Garandor. Du musst dich beruhigen.“ Waldoran legte viel Nachdruck in seine Stimme, da Garandor in Panik geraten war und wild mit den Armen um sich schlug. Lannus stand hinter Dante und Waldoran und blickte mit einem erschütterten Ausdruck auf die leidvolle Szene.
Es dauerte lange, bis sich Garandor wieder beruhigte und lediglich in Intervallen von einigen Herzschlägen von kurzen, panischen Zuckungen überfallen wurde, bei welchen sich Dante an die Seite Garandors gesellte und ihm beruhigend einen Arm auf die Schulter legte.
Waldoran begann damit, auf demselben Weg aus der Höhle zu entkommen, auf welchem sie eingedrungen waren und zwang seine Gefährten dazu, ihm in großem Abstand zu folgen, damit er als Späher agieren konnte. Lannus lief hinter Dante, welcher Garandor die gesamte Strecke führen musste. Dazu nahmen sie einen Stock, den Dante als Spazierstock mit sich getragen hatte – welcher jedoch nicht zum Einsatz gekommen war – und den der junge Menschenkrieger so nach hinten ausstreckte, dass Garandor ihn ergreifen konnte und den Bewegungen des Menschen folgte.
Merkwürdigerweise verstrich die Zeit beim Aufstieg schneller als beim Abstieg. Sie durchkreuzten erneut den dichten Wald aus steinernen Säulen, welche verworrene Skulpturen bildeten, als sie ineinander verschmolzen.
Die Flucht erwies sich als kräftezehrend, da ihnen beim Abstieg nicht aufgefallen war, welch steiles Gefälle sie bewältigten und Garandor kläglich wimmerte, als er hinter Dante den Anstieg bekämpfte. Als sie in die Nähe des Ausgangs gelangten, kam Waldoran ihnen lautlos entgegen und brachte niederschmetternde Nachrichten.
„ Ein starker Trupp Latenors überquert in diesem Moment die Brücke. Es werden stets mehr von ihnen auf dieser Seite, weswegen ich der Meinung bin, dass, wenn wir kämpfen wollen, die Sterne nun am hellsten leuchten; solange sie noch getrennt sind.“
„ Mit wie vielen haben wir es zu tun?“ wollte Dante nervös wissen.
„ Etwa zwanzig Telénastiere und die doppelte Zahl an Orks.“ antwortete Waldoran und blieb selbst im Angesicht dieser lebensgefährlichen Situation nonchalant.
„ Das ist unmöglich. Garandor kann nicht kämpfen und ich vermute, dass Lannus unerfahren ist.“ Dante blickte entschuldigend zu Lannus, welcher nur den Kopf in einer Geste der Vergebung schüttelte. Garandor wurde sich indes seines Zustandes erneut schmerzhaft bewusst und sein Haupt senkte sich noch weiter.
„ Sie werden mit Sicherheit die Höhle betreten“ überlegte Dante laut.
„ Diese Vermutung ruht auch
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