Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)
Waldoran. Folge mir.“
„ Ich werde deinem Befehl unterstehen, Waldoran. Was geschieht mit dieser widerwärtigen Kreatur?“ Der Stier machte eine unheimlich-menschliche Kopfbewegung in Richtung des zusammengeschnürten Orks.
„ Ich werde ihn auf deinen Rücken laden, damit wir ihn später verhören können.“
Chorz nickte und fühlte sich befreit. Das stierische Äquivalent eines Lächelns breitete sich auf dem roten Gesicht aus, als Waldoran seine Pfeile seelenruhig einsammelte.
XXXIX
Eine kräftige Hand half ihm vom Boden hoch. Besorgt blickte der Hauptmann der Klanglosen Klingen in das Antlitz des zwergischen Herrschers. Die weisen, ruhigen Augen Toraburs musterten ihn müde, während sich die Falten zu wahren Schluchten verwandelt hatten. Schluchten, in denen die Hoffnung des gesamten Ostens versickerte. Der Krieg zeichnete ihn und obgleich die wahren Schlachten noch nicht begonnen hatten, skizzierten ihre Ausmaße bereits das Gesicht des ehrwürdigen Königs.
Vor hunderten von Wintern, als die Elfen noch für Zusammenkünfte und die Verteilung der Rollen in Kriegszeiten verantwortlich waren, litten die Herrscher der Zwerge nicht an dieser kolossalen Last, an diesem niederzwingenden Verantwortung, doch das äußerst hohe Alter nagte nun erbarmungslos an Torabur und seine Lage wurde von Tag zu Tag schlimmer, er alterte stets rascher. Elfen hatten selbstverständlich keine Probleme mit diesen kräftezehrenden Pflichten und der erdrückenden Pflicht, da die Winter ohnehin an ihnen vorbeiflossen, ohne Spuren zu hinterlassen. Doch nach unzähligen Zyklen elfischer Macht hatten die Zwerge damit begonnen, ihren Unmut zu äußern, weswegen es ihnen gestattet worden war, fortan die Kriege zu leiten. Die Menschen hatten noch nie die führende Rolle in einer Schlacht übernommen.
„ Es wäre eine Lüge, dir zu erzählen, du seist ein willkommener Gast.“ Torabur hatte das mönchartige Gewand des Hauptmannes erkannt.
„ König Torabur, es ist mir eine Ehre.“ eröffnete Raspiron mit einer Verbeugung. „Ich habe keinen warmen Empfang erwartet. Dennoch möchte ich mir dir reden, wenn du es mir gestattest.“
„ Folge mir.“ Der König kehrte um und streifte durch die Menge, welche sich spaltete, um einen Durchgang zu schaffen. Raspiron folgte ihm, wohlwissend, dass er von allen Seiten wütend angefunkelt wurde. Eine Tatsache die er mit aller Macht ignorierte.
Der König stapfte träge, beinahe lethargisch – oder war es bedächtig – durch das Gewirr aus Gängen und Stufen und war sogar gezwungen, eine kurze Pause nach einer gewundenen Treppe einzulegen, da die Erschöpfung nach ihm dürstete.
Kopfschüttelnd, enttäuscht über die gebrechliche, trostlose Erscheinung des zwergischen Königs, betrat der Hauptmann Toraburs Kammer in den oberen Ebenen der Festung.
Das Zimmer war geräumig, die Wände geschmückt mit diversen Waffen und Trophäen aus vergangenen Zeiten. Ein beinahe echtes, zwergisches Zimmer; lediglich die beachtliche Zahl an Metkrügen entbehrte der Vollendung.
Von dieser Eingangskammer aus, führten vier Türen in weitere Räumlichkeiten. Eine in jeder Ecke, alle verschlossen. In der Mitte des Zimmers standen einige Stühle um einen etwa drei Schritt langen Tisch aus solidem Marmor in einem herbstlichen Kastanienbraun. Mit einer Geste bot Torabur dem ungebetenen Gast einen Platz an.
„ Du hast mir eine Botschaft von unermesslicher Wichtigkeit mitzuteilen, wenn du es wagst, diese Festung zu betreten.“ begann der König die Konversation schwer, während es dem Menschen ungeheure Mühen bereitete, den Blick seines Gegenübers zu halten. Einerseits hatte sich die Schmach tief in Raspirons Geist gegraben, denn er war nun davon überzeugt, dass es eine andere Möglichkeit gegeben haben musste. Des Weiteren lief eine spürbare Traurigkeit aus den tiefen Augen Toraburs; ein Trübsal, für welches Raspiron einen Teil der Schuld trug.
„ Mein Name ist Raspiron. Ich bin der Hauptmann der Klanglosen Klingen und ich habe den Befehl gegeben, Eisenturm zu erklimmen, um Leben zu erlöschen.“ Raspiron legte Schuld in seine Stimme.
„ Weshalb bist du zurückgekehrt?“ entgegnete Torabur, ohne auf die Entschuldigungen des Hauptmannes einzugehen.
„ Um dir zu erklären, warum ich den Befehl gegeben habe.“
Das graue Gesicht des zwergischen Königs verblieb regungslos in einer stillen Einladung weiterzusprechen.
„ Du erinnerst dich mit
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