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Jenseits der Finsterbach-Brücke

Jenseits der Finsterbach-Brücke

Titel: Jenseits der Finsterbach-Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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haben, als ich gedacht hatte.
    Wir wanderten die Straße entlang in Richtung Norderhof und zuerst schien es uns, als könnte der Kjerk uns nichts mehr anhaben.
    »Wobei … Eigentlich sind wir hier nicht sicherer«, sagte ich nach einer Weile. »Wenn er jetzt aus dem Wald kommt, kann er uns genauso gut mitten auf der Straße in Stücke reißen. Womöglich gefällt es ihm sogar, wenn nicht dieses ganze Geäst im Weg ist.«
    »Lasse«, sagte Joern, »du bist ein netter Kerl, aber du hast eine Begabung dafür, im falschen Augenblick die falschen Dinge zu sagen.«
    Auf einmal schien die Straße endlos lang und der Wald links und rechts wirkte wie eine grüne Mauer voller Gefahren. Über seinen Wipfeln zog der Abend herauf, und obwohl es im Sommer erst spät dunkel wird, lässt sich doch die Dämmerung im Wald früher nieder als irgendwo sonst.
    »Erzähl mir etwas Schönes«, bat ich, »damit ich nichts Unpassendes mehr sagen kann. Erzähl mir etwas von deiner Welt.«
    »Etwas Schönes von meiner Welt?« Joern lachte. »Ja, es muss wohl auch etwas Schönes dort geben, nicht wahr? Lass mich überlegen …« Er vergrub die Hände tief in den Taschen seiner Jacke. »Es ist schön«, sagte er schließlich, »wenn mein Bruder Onnar auf meiner Bettkante sitzt und sich Geschichten für mich ausdenkt von Welten wie deiner, voller gurgelnder Flüsse und wilder Wälder. Oder wenn Onnars Freund Holm bei uns ist und für uns Theater spielt. Seine Eltern waren früher beim Zirkus. Da hat er sogar Reiten gelernt mit Kunststücken und wollte immer Clown werden oder Schauspieler. Aber dann hat das Geld nicht gereicht und so wurde es nichts mit der Schauspielerei.«
    »Oh«, sagte ich. Ich konnte mir nur schwer vorstellen, dass das Geld irgendwo nicht reichte. Auf dem Norderhof spielte Geld keine Rolle. Man konnte nichts kaufen. Die meisten Dinge wuchsen in Olafs Gärten und Dinge wie Weihnachtsgeschenke oder Pferdesättel brachte Flint von seinen Reisen mit.
    »Was macht dieser Holm jetzt?«, fragte ich.
    »Oh, er arbeitet im Bergwerk wie Onnar«, sagte Joern und seine Stimme klang nicht mehr, als wollte er etwas Schönes erzählen. »Wie alle. Aber es ist nicht gut, dort zu arbeiten.Es gibt zu viele Unfälle und zu wenig Geld. Onnar will alles ändern. Er hat die Arbeiter überredet zu streiken, diese Woche noch. Obwohl die Gewerkschaft es nicht erlaubt.«
    »Streiken? Was bedeutet das?«, fragte ich und kam mir dumm vor. »Was ist eine Gewerkschaft?«
    Joern sah mich an und seufzte. »Du hast es gut, dass du so was nicht zu wissen brauchst«, antwortete er. »Ein Streik ist, wenn die Leute sich weigern zu arbeiten, weil etwas verkehrt ist. Und die Gewerkschaft ist etwas wie ein Verein. Sie wählen einen Sprecher und der soll dafür sorgen, dass ihre Wünsche und Forderungen von den Chefs ernst genommen werden. Die Gewerkschaft ist da, damit nicht jeder alleine kämpfen muss. Damit es allen besser geht.« Er brach ab und schüttelte den Kopf.
    »Und?«, fragte ich. »Geht es allen besser, wenn die Gewerkschaft etwas tut?«
    »Nein«, sagte Joern. »Mein Bruder Onnar sagt, der Gewerkschaftschef macht nur, dass es dem Gewerkschaftschef besser geht. Pöhlke heißt er und Onnar hasst ihn noch mehr als den Kohlenstaub. Pöhlkes Sohn arbeitet im Bergwerk, aber er selber macht den ganzen Tag nur ein wichtiges Gesicht. Und dann behauptet er zum Beispiel, er hätte mit dem Bergwerkbesitzer verhandelt und alle würden jetzt mehr Lohn bekommen. Hinterher stellt sich heraus, dass jeder gerade mal zehn Cent mehr kriegt. Nur der Herr Pöhlke hat plötzlich ein neues Auto.«
    »Und wenn dein Bruder streiken will, warum ist das gefährlich?«, fragte ich. Ich konnte mir vorstellen, dass einKjerk gefährlich war und dass es gefährlich werden konnte, mit einem Pferd über eine zu hohe Hecke zu springen. Aber weshalb es gefährlich sein sollte, nicht zu arbeiten, das begriff ich nicht.
    »Dieser Pöhlke wird sauer sein, verstehst du«, sagte Joern. »Er will natürlich nicht hören, dass seine Verhandlungen für die Katz sind. Und er wird nicht nur auf seinem Sofa sitzen und sauer sein. Er wird seine Leute losschicken und die sind zu allem imstande.«
    »Zu allem«, murmelte ich und hatte keine Ahnung, was er meinte.
    Es war alles so anders in Lasses Welt. Hier war alles einfach. Es gab einen Kjerk und der war gefährlich und man musste ihn loswerden. Ende.
    Inzwischen war es richtig dunkel geworden. Am Himmel hingen Wolken, die kein Mondlicht

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