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Jenseits der Finsterbach-Brücke

Jenseits der Finsterbach-Brücke

Titel: Jenseits der Finsterbach-Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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sind auch nicht groß, aber totbeißen tun sie einen trotzdem.«
    »Und hast du keine tiefblauen Federn gefunden?«, fragte Joern. »Nicht eine einzige?«
    Johann schüttelte den Kopf. Und als wir mit den Klößen fertig waren, sattelte er seinen Südwind und ritt wieder hinaus in den Wald. Er ritt nach Osten, das Gewehr über der Schulter, und keiner wusste, was er dort draußen vorhatte. Vielleicht suchte er wieder den Zaun nach Löchern ab.
    »Johann glaubt uns nicht«, sagte Joern. »Er denkt, wir haben die Sache mit der Lichtung und den Federn erfunden.«
    »Dann beweisen wir ihm, dass wir recht haben«, sagte ich. »Wir lassen Westwind hier und nehmen mein Fahrrad. Eine Taschenlampe hab ich schon eingesteckt. Außerdem brauchst du eine Waffe.« Ich musterte Joern. Was für eine Waffe passte zu einem, der mit Pfeil und Bogen nur die Stallwand traf?
    »Wie wäre es mit einem Messer?«, schlug Joern vor. »In meiner Klasse haben ein paar Leute Springmesser. Damit kann ich umgehen.«
    »Springmesser haben wir keine hier«, erklärte ich. »Aber wir haben etwas viel Besseres.«
    Wir schlüpften durch die schwere Tür des Gutshauses und schlichen die Treppen hinauf zum Wohnzimmer.
    »Flint muss uns ja nicht unbedingt hören«, erklärte ich leise, »sonst kommt er sicher herunter und will wissen, was wir mit dem Messer vorhaben.«
    »Herunterkommen?«, fragte Joern. »Wo ist er denn?«
    »Oh«, antwortete ich, »es gibt an der Ostseite so einen alten Turm. In dem hat er sein Arbeitszimmer eingerichtet. Niemand darf ihn dort stören.«
    Wir schlichen durchs Wohnzimmer bis zu einer kleinen hölzernen Tür direkt neben dem Klavier. Man sah sie fast gar nicht.
    »Nur mich lässt er manchmal rein«, fügte ich hinzu, nichtganz ohne Stolz. »Aber es ist ein langweiliges Zimmer und er sitzt den ganzen Tag am Computer. Er schiebt irgendwelches Geld hin und her, so nennt er das. Später, hat er gesagt, erklärt er mir, was das bedeutet.« Ich öffnete die kleine Tür. »Hier geht es zur Wendeltreppe.«
    Als wir auf der Treppe standen, betrachtete Joern die Wände des Turms. Überall hingen Dinge, die kein bisschen langweilig waren. Durch die schmalen Fenster fiel das goldene Licht des Norderhofs auf Messingknäufe und silberne Scheiden.
    »Das«, verkündete ich, »ist Flints Messersammlung.«
    Wir stiegen langsam die Stufen hoch, an der Sammlung entlang. Joern streckte staunend seine Hand aus und fuhr vorsichtig eine der Messerscheiden entlang. Die Klingen der alten Messer waren alle gut im Schaft verborgen.
    »Wir können doch nicht einfach eins wegnehmen?«, flüsterte er ehrfürchtig.
    »Ach, wir leihen es ja nur aus«, meinte ich. »Welches scheint dir richtig, um einen Kjerk zu besiegen? Dieser alte Säbel? Oder der lange Dolch hier?«
    Joern sah mich an und lächelte. »Du und deine Märchenwelt«, sagte er. »Sicher ist es sehr romantisch, ein Schwert zu schwingen, das größer ist als man selbst. Nur praktisch ist es nicht gerade.«
    Er ließ seinen Blick über die Messer und Säbel schweifen und schließlich nahm er ein ganz kleines Messer von seinem Haken an der Wand. Es hatte einen Griff, in den dunkelblaue Steine eingelegt waren. Und ich verstand: Dies wardie Farbe des Kjerks. Also war es auch das Messer für den Kjerk.
    Da kam mir eine Idee. Ich holte ein paar dunkelblaue Federn aus meiner Tasche und nahm einen Pfeil aus dem Köcher an meinem Gürtel. Dann zog ich vorsichtig die weißen Gänsefedern aus dem Pfeil und steckte die Federn des Kjerks hinein.
    »Ein Pfeil für den Kjerk muss auch Federn vom Kjerk tragen«, erklärte ich.
    Wir schlichen zurück, die Treppe hinunter, während von oben leise Wörter drangen. Flint telefonierte. »… gehört, es gäbe eine De…«, sagte er. »Mit ihnen sprech… ich will keinen Är… mich zurückhal… regeln, wie Sie denken … nicht mehr meine Sache … nein. Nein. Nein. Ganz sicher nich…«
    Seine Stimme verebbte hinter uns.
    Im Wohnzimmer lag wie gewöhnlich die graue Katze. Sie öffnete ein Auge, als wir an ihr vorbeischlichen, und sah uns an. »Manchmal denke ich, sie weiß alles«, sagte ich. »Alles, was war, und alles, was noch kommt. Sie weiß, dass wir das Messer ausgeliehen haben, und sie weiß schon jetzt, ob es uns helfen wird.«
    Die Katze streckte sich, lief vor uns her die große Treppe hinunter und kratzte an der Haustür. Als ich die Tür öffnete, stand davor ein Postbote. Hatte die Katze auch das gewusst?
    Es gab selten Post auf dem Norderhof.

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