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Jenseits der Finsterbach-Brücke

Jenseits der Finsterbach-Brücke

Titel: Jenseits der Finsterbach-Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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bemerkt … sie hatten Angst. Mein Bruder Onnar hat mich gerettet … er ist ein wunderbarer Bruder, aber ich konnte trotzdem nicht bleiben …« Er verstummte.
    Frentje schüttelte langsam den Kopf. »Nein«, sagte sie. »In einer Stadt, wo sie einen so zurichten, ohne es zu merken, da kann keiner bleiben.«
    Als Joern schließlich im Bett unter den vielen, vielen Decken lag, hörte er Flop leise am Fußende schnarchen. Beim Einschlafen sah er Onnars Gesicht vor sich. »Es tut mir leid«, flüsterte er in die Dunkelheit. »Es tut mir leid, Onnar. Hast du gehört, was Frentje gesagt hat? In so einer Stadt kann keiner bleiben.«
    In dieser Nacht träumte Joern, Onnar wäre bei ihm. Sie ritten gemeinsam durch den Norderwald, obwohl doch keiner von ihnen reiten konnte, und Lasse galoppierte auf Westwind voran und sang, laut und falsch und fröhlich. Die Sonne schien golden durch die Äste herab.
    Als Joern aufwachte, war das goldene Licht noch da. Aber Onnar war endgültig fort.

Kein Messer ist scharf genug
    W ie sehr hatte ich befürchtet, Joern käme nicht wieder! Eineinhalb Tage lang hatte ich es befürchtet, 36 Stunden lang, jede einzelne Minute. Doch hier stand er vor mir und grinste, mein Freund Joern.
    »Bist du wieder gesund?«, fragte Flint. Wir waren eben vom Frühstück aufgestanden, als Joern an der alten Glocke neben der Gutshaustür geklingelt hatte.
    »Ja«, antwortete Joern. »War nur eine kurze Krankheit.«
    »So ist das mit Magengeschichten«, sagte Flint. »Lasse muss jetzt zum Unterricht …«
    Ich stöhnte.
    »Aber du hast ja Ferien, Joern, nicht wahr?«
    »Ja, äh«, sagte Joern. »Ich könnte aber trotzdem mitgehen zum Unterricht.«
    »Vergiss es«, sagte ich. »Bist du lebensmüde? Du kannst in der Zwischenzeit etwas wirklich, wirklich Nützliches tun. Im Stall hängt mein Bogen und daneben findest du die Pfeile. Hinter dem Stall ist eine Zielscheibe auf die Wand gemalt, zum Üben. Wenn ich unserem Lehrer entkommen bin, will ich sehen, wie du durch das Auge der Taube auf dem Taubenschlag schießt.«
    »Vergiss es«, sagte Joern. »Sind eure Tauben lebensmüde?«
    Ich lachte und Joern sagte, er würde das Schießen nie lernen. Leider hatte er recht. Als ich mich endlich aus Herrn Marksens Fängen befreit hatte, stand Joern noch immer hinter dem Stall. Zehn Pfeile steckten an unterschiedlichen Stellen in der hölzernen Stallwand. Keiner davon war der Zielscheibe auch nur nahe gekommen. Joern saß in der Sonne auf einem Stein und kraulte abwechselnd Tök und Flop.
    »Hey, Lasse«, sagte er und grinste. »Ich mache Fortschritte! Ich treffe jetzt die Stallwand!«
    »Himmel!«, sagte ich. »Ein Glück, dass du nicht aus Versehen irgendjemanden vom Norderhof abgeschossen hast!«
    »Hab ich«, sagte Joern. »Ich hab sie alle dahinten im Wald begraben.« Und er grinste noch breiter. »Oh Mann, Lasse, guck nicht so erschrocken! Das war ein Witz! Sag mal, an welcher Stelle des Waldes laufen wir heute vor dem Kjerk weg?«
    »An gar keiner«, sagte ich entschlossen. »Wir laufen nicht mehr weg. Apropos weglaufen. Wie lange bleibst du dieses Mal?«
    »Dieses Mal«, begann Joern zögernd und stand auf. »Also, wenn du nichts dagegen hast, bleibe ich dieses Mal ganz.«
    »Na, ein Glück auch«, sagte ich möglichst gelassen und versuchte, nicht vor Freude in die Luft zu springen, weil man das mit zwölf nicht mehr macht. »Komm jetzt! Frentje tut mal wieder das, was sie meistens tut: Sie wartet mit dem Essen.«
    Wir ließen Flop bei Tök und die beiden trollten sich gemeinsam zu den Schafen. An diesem Tag gab es Kartoffelklöße und Tom erfand ein Spiel, das Kartoffelkloß-Weitwurf hieß, aber ich hatte keine Nerven dafür. Wir würden nicht mehr weglaufen, hatte ich gesagt. Was würden wir dann tun?
    »Ich war übrigens mit Südwind bei der Lichtung«, sagte Johann, der mit uns am Tisch saß. »Dort, wo ihr diesem Kjerk begegnet seid.«
    »Wie sah er aus?«, rief Tom.
    »Wir sind ihm nicht begegnet«, sagte ich und schauderte. »Westwind ist ihm begegnet.«
    »Ich wünschte, ich könnte Westwind ein paar Dinge fragen«, brummte Johann. »Jedenfalls war ich dort. Und da ist nichts, gar nichts. Ich habe in den Spalt zwischen den Felsen geleuchtet; er reicht tief hinab in die Dunkelheit, aber alles, was ich gesehen habe, waren die Spuren von Füchsen. Und überhaupt ist der Spalt zu klein für irgendetwas, das größer ist als ein Fuchs.«
    »Und wenn der Kjerk gar nicht groß ist?«, sagte Almut. »Piranhas

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