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Jenseits der Finsterbach-Brücke

Jenseits der Finsterbach-Brücke

Titel: Jenseits der Finsterbach-Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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nur so weit, dass der kalte Wind uns nicht mehr erreichte, dann lehnten wir uns an die Wand und warteten.
    Damian und Dirk rauchten. Ich versuchte, etwas in der Dunkelheit zu erkennen, und da blinkte plötzlich ein rotes Licht über mir, das gleich wieder erlosch.
    Ehe ich Joern von dem roten Blinken erzählen konnte, tauchten drei dunkle Schatten im hellen Eingang des Stollens auf wie Scherenschnitte von Menschen und ich vergaß das Rot. Damian machte die Taschenlampe aus. Schritte hallten, die Schatten kamen näher und verschmolzen mit der Dunkelheit des Stollens. Ich griff nach Joerns Arm.
    »Stell dir vor«, flüsterte ich, so leise ich konnte, »wenn der Stollen eine Verbindung zur Höhle des Kjerks hat und wenn der Weiße Ritter von hier gekommen ist … Vielleicht ist er ganz nahe, vielleicht ist er einer von denen dort.«
    »Psssst«, machte Joern und dann sagte jemand vor uns: »Hallo?«
    »Was soll das?«, fragte eine andere Stimme. »Ihr braucht nicht Verstecken mit uns zu spielen, wir wollen nur den Nachtspat. Habt ihr ihn?«
    »Habt ihr das Geld?«, fragte Damian zurück.
    »Natürlich«, antwortete eine dritte Stimme. »Aber gehen wir zur Sicherheit noch ein wenig weiter in den Stollen hinein. Bis um die erste Biegung.«
    Joern zog mich mit sich und wir folgten den Schritten tiefer in den Berg, wo es noch dunkler war. Ein paarmal stolperte ich über meine eigenen Füße und dann blendete mich ein grelles weißes Licht. Ich blinzelte. Vor uns sah ich drei fremde Männer. Sie wirkten auf mich weder böse noch gut, weder wie Freunde noch wie Feinde.
    »Hier«, sagte einer der Fremden.
    Er holte ein Bündel Geldscheine aus der Tasche und zählte sie laut. Es war genau die Summe, die wir brauchten.
    »Die Steine!«, sagte der Mann. Es klang wie ein Befehl.
    Da streckte Joern die Faust aus und einen Moment lang dachte ich, er wollte seinem Gegenüber ins Gesicht schlagen.
    Doch er stoppte seine Faust genau unter der Nase des Mannes, drehte sie um und öffnete sie. Auf seiner Handfläche lagen die beiden kleinen Stücke Nachtspat. Joern bewegte die Hand ein wenig und die Steine glitzerten und gleißten im weißen Licht in allen Farben, die es geben konnte.
    Der Mann nahm die Steine an sich und reichte Joern das Bündel Scheine. Dann hielt er die Steine vor seine Augen. Ein Lächeln breitete sich über sein Gesicht. »Wie hübsch«,sagte er. »Wirklich hübsch. Man möchte sie beinahe für sich behalten, damit die Welt schöner wird.«
    Joern steckte die Geldscheine ein. Dreckige, abgegriffene Scheine, die man tausendmal vor die Augen halten konnte, ohne dass die Welt davon schöner wurde.
    Aber als Joern sich zu uns umdrehte, leuchteten seine Augen viel heller als das hellste Stück Nachtspat. »Jetzt holen wir Onnar nach Hause«, sagte er.
    Und das, dachte ich, war wohl tausendmal schöner als jede Welt, egal wie viele Farben sie hatte.
    In diesem Moment erlosch die weiße Lampe und die Schritte der drei Männer entfernten sich. Einen Augenblick lang glaubte ich wieder, das winzige rote Licht über uns zu sehen, irgendwo unter der Decke des Stollens. Ich starrte angestrengt in die Dunkelheit.
    »Joern?«, fragte ich. Doch Joern stand nicht mehr neben mir. Er war schon mit den anderen losgegangen, in Richtung Tageslicht. Da rannte ich ihnen nach und vergaß das rote Licht zum zweiten Mal, ich Idiot.
    Ich hatte mir ein Gefängnis immer vorgestellt wie eine Burg, mit mächtigen Mauern aus Steinquadern und einem eisernen Tor, oben von scharfen Spitzen abgesichert. Doch das Gefängnis in der Schwarzen Stadt war ein quadratischer, moderner Klotz und daran stand nicht Gefängnis, sondern Justizvollzugsanstalt. Nur die Mauer zum Hof war höher als normale Mauern. Statt geschmiedeter Eisenspitzen wucherte unromantischer Stacheldraht auf ihr.
    Drinnen roch es nach Desinfektionsmittel und Duftspendern. Jemand nahm unser Geld durch eine gläserne Drehscheibe entgegen, ließ es durch eine Maschine zählen und wollte, dass wir endlos viele Formulare ausfüllten. Ich merkte, wie Joern neben mir immer ungeduldiger wurde.
    »Wenn nur nicht im letzten Moment etwas schiefgeht«, flüsterte er.
    Schließlich führte man uns in einen Warteraum und dort saß ein junger Mann mit einem kleinen Koffer.
    »Hey«, sagte er. Mehr nicht.
    Eine Sekunde lang blieben wir alle verlegen in der Tür stehen.
    Ich hatte gedacht, Onnar würde aussehen wie Joern, nur älter. Aber das tat er nicht. Joern und die vier D hatten alle braunes Haar und

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