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Jenseits der Finsterbach-Brücke

Jenseits der Finsterbach-Brücke

Titel: Jenseits der Finsterbach-Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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mehr oder weniger moosgrüne Augen. Onnars Haar war blond, beinahe weiß, und seine Augen hatten die Farbe des Flusses an Sonnentagen. Er sah uns entgegen und lächelte und sein Lächeln war warm wie das goldene Licht des Norderhofs.
    Das Erste, was ich dachte, war, wie gut er dort hingepasst hätte. Ich konnte vor mir sehen, wie er mit Tom am Flussufer saß und Forellen angelte, wie er die Frühjahrslämmer mit der Flasche fütterte oder wie er mit Flint am Kamin saß und Schach spielte, während es draußen regnete.
    »Gehen wir?«, fragte Onnar, ohne mit dem Lächeln aufzuhören. »Oder wollt ihr hier stehen und mich anstarren, bis sie es sich anders überlegen und mich doch hierbehalten?«
    Draußen blinzelte Onnar ins rußige Tageslicht und atmete tief durch. Dann schlenderten wir durch die Straßen der Schwarzen Stadt nach Hause. Wir schoben die Räder und Flop sprang uns um die Beine. Etwas von Onnars goldenem Lächeln hatte auf uns alle abgefärbt.
    »Und wer bist eigentlich du?«, fragte Onnar mich. »Ein Freund von Joern?«
    »Ja«, sagte Joern. »Lasse wohnt jetzt bei uns. Für eine Weile. Er ist der Sohn der Cousine meiner Lehrerin, seine Eltern sind verreist und …«
    »Ich denke«, sagte Onnar ernst, »wir müssen mal ein paar Worte allein miteinander reden, wir drei.«
    »Das müssen wir«, sagte Joern. Er sah sich nach den vier D um. Sie waren etwas hinter uns zurückgefallen und in eine wilde Diskussion vertieft.
    »Onnar«, sagte Joern leise und holte eine kleine blaue Flaumfeder aus der Tasche. »Kennst du die?«
    »Hm«, sagte Onnar. »So eine war neulich an meinem Pullover.«
    »Ja«, sagte Joern, »und nachdem ich dich besucht habe, war sie an meinem Pullover. Nur – woher stammt sie?«
    »Keine Ahnung«, antwortete Onnar. Es klang so ehrlich. Ich wollte ihm glauben. Alles in mir wollte ihm glauben. Aber ich war mir nicht sicher.
    »Jetzt bin ich dran mit Fragen«, sagte Onnar. »Ich wette, Mama hat nicht den Mut gehabt. Wo warst du, Joern?«
    »An einem Ort«, antwortete Joern, »wo einer, der blaue Federn trug, nur tötete, um zu töten.«
    Onnars Lächeln versiegte und ein Schatten legte sich über sein Gesicht. Ich konnte nicht sagen, ob es Verwirrung war oder Angst.
    »Wir sind da«, murmelte er und schloss die Haustür auf.
    An diesem Tag dachte ich wirklich, die Wohnung müsste platzen. Damian hatte alle angerufen und das kleine Wohnzimmer war vollgestopft mit Leuten, die Onnar auf die Schulter klopfen wollten. Seine Mutter umarmte ihn lange. Eine Menge Freunde hatten Bier mitgebracht, stießen mit den Flaschen an und redeten durcheinander.
    »Ihr tut gerade so, als wäre ich jahrelang fort gewesen«, sagte Onnar. »Dabei waren es bloß zwei Tage. Die Jahre kommen erst. Die Verhandlung ist am Donnerstag, dann entscheiden die hohen Herren über mich.«
    »Bis dahin haben wir Zeit zu beweisen, dass jemand anders die Kiste mit dem Nachtspat in unseren Keller gestellt hat«, sagte Joern.
    »Hört mal her!«, rief Onnar schließlich und endlich wurde es leiser. »Ich weiß immer noch nicht, woher die Kaution stammt! Habt ihr alle zusammengelegt oder wie habt ihr das angestellt?«
    »Was hätten wir denn zusammenlegen sollen?«, fragte einer der Männer und alle lachten. »Unsere leeren Geldbörsen? Unsere unbezahlten Gasrechnungen?«
    »Wir waren es«, sagte ich zaghaft. »Joern und ich.«
    »Wir haben etwas gefunden«, erklärte Joern.
    Ich sah, wie der Schatten auf Onnars Gesicht sich vertiefte. »Gefunden?«, wiederholte er.
    »Zwei kleine Steine«, sagte Joern. »Zwei Stücke Nachtspat. Wir haben sie verkauft. Heute Morgen. An ein paar Leute, die uns im stillgelegten Stollen treffen wollten.«
    Auf Onnars Gesicht braute sich ein Gewitter zusammen.
    »Ihr Dummköpfe!«, sagte er dann. Er schrie nicht, so wie seine Brüder. Er sprach ganz leise. »Ihr Esel! Wann werdet ihr es lernen? Im stillgelegten Stollen! Nachtspat, den ihr gefunden habt! Wo denn gefunden? In unserem Keller?«
    Es war jetzt ganz still in der Wohnung.
    »Ich wünschte«, sagte Onnar, »ich könnte alles rückgängig machen. Aber sie werden uns die Steine nicht zurückgeben, nicht für alles Geld der Welt.« Er bahnte sich einen Weg durchs Gedränge.
    »Bleib hier, Onnar!«, riefen ein paar Leute. »Wo willst du hin?«
    An der Wohnungstür blieb Onnar stehen. »Ich muss allein sein«, sagte er. »Ich muss nachdenken. Feiert ihr ohne mich weiter.«
    »Nichts kann man dir recht machen!«, schrie Damian wütend.
    »Ohne

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