Jenseits der Finsternis - Eine Vampir Romanze (German Edition)
ihm, als hätte er die Erinnerung an ein längst vergangenes Leben als Mensch in sich aufgenommen. Der Wein half ihm nicht, die Erinnerung an seine Vergangenheit zu vergessen, stattdessen erfüllte er ihn mit einer neuen, unbekannten Erfahrung. In diesem Moment wurde ihm klar, dass es ein trügerisches Gefühl war. Die angenehme Wärme, der Rausch der Zuversicht würden ihm letztlich seine Kräfte rauben.
Er spürte, wie etwas in seinem Inneren damit begann, ihn zu zerfressen.
Dann erkannte er den Duft in dem Glas. Es war mehr als nur Wein. Er hob das Glas vor die Scheibe des Fensters und sah im herannahenden Sonnenaufgang, dass darin zwei Flüssigkeiten gegeneinander ankämpften, als würden sie sich weigern, sich zu vermischen. Er spürte, wie seine Kraft zu schwinden begann. Er fühlte sich müde, als wäre der Tod, der ihn Jahrhunderte lang gefürchtet und gemieden hatte letztlich doch ganz nahe. Seine Hand begann zu zittern. Das Weinglas fiel zu Boden. Ihm wurde klar, was passiert war. Mit seinen schwindenden Kräften erkannte er zwei Gerüche.
Der eine war die Pestilenz, die Valeria verströmte.
Sie war hier , dachte er. Sie hat den Wein vergiftet.
Der andere Geruch war der Duft des Lebens, der Liebe und des Todes.
Es ist Lindas Blut .
Schwindel erfasst ihn, Schwäche und ein Gefühl der Abwehr. Er versuchte, gegen die Dunkelheit anzukämpfen, die ihn umfing. Wenn ich sterbe ist alles verloren. Die Vampirbrut und alle Dämonen der Hölle werden die Menschheit vernichten.
Die Sonne ging über Manhattan auf. Sie schien auf seine Haut. Im Inneren brannte Lindas Blut in ihm.
Dann wurde es schwarz um Damon Adrian, der fast sechshundert Jahre lang die Schleusen zur Höllenwelt verschlossen gehalten hatte.
Was ich am meisten liebe, wird mich jetzt vernichten.
Er blickte zum Fenster hinaus. Er sah Schatten, Schwärme von Vögeln und Fledermäusen, glühendes Sonnenlicht und einen Sturm, der über die Welt zog.
20. Kapitel
Das Mädchen sah die Schatten nicht, die ihm folgten. Es fuhr auf seinem Fahrrad die Straße zwischen den scheinbar endlosen Maisfeldern von Massachusetts nach Hause. Es war sein Heimweg von der Schule, und es war diese Strecke in den letzten Jahren schon so oft gefahren, dass es sie blind kannte. Trotzdem sagte ihre Mutter jeden Tag: „Sei vorsichtig, Linda. Auch der vertrauteste Weg birgt viele Gefahren.“ Linda hatte diese Worte nie auf die leichte Schulter genommen, und sie liebte ihre Mutter für diese Fürsorge, obwohl sie eigentlich ihre Pflegemutter war. An ihre echte Mutter hatte sie keine Erinnerung mehr. Sie besaß zwar einige Fotos von ihren Eltern, die bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, als sie erst drei Jahre alt gewesen war, aber die Gesichter darauf waren Fremde für sie. Trotzdem erfasste sie immer ein Gefühl von Traurigkeit, wenn sie daran dachte, so sehr sie ihre Adoptiveltern auch liebte.
Jetzt ist es nicht mehr lange bis zum Erntedankfest , dachte Linda beim Anblick der Maiskolben. Sie liebte es, gerösteten Mais mit Butter zu essen, und natürlich gefüllten Truthahn. Ansonsten war ihre Welt bestimmt von Büchern über die großen Entdecker der Welt. Sie fühlte sich in Schilderungen über Wissenschaftler und Ärzte mehr zu Hause als in den Themen, die ihre Schulfreundinnen interessierten. Mode, Sport und Partys waren nicht ihre Sache. Dementsprechend war das Wort Freundinnen nicht ganz zutreffend. Sie verstand sich mit einigen Mädchen in ihrem Alter zwar ganz gut, fühlte sich aber doch immer als Außenseiterin.
Besonders Blut faszinierte sie. Als kleines Kind war sie mit ihrer Mutter oft beim Arzt gewesen. Sie hatte zu Blutarmut geneigt und sich oft schwach gefühlt. Aber selbst die gründlichsten Untersuchungen bei Spezialisten hatten bei ihr keine schwerwiegende Krankheit nachweisen können.
Es war etwas Anderes, das ihr aufgefallen war. Eine Reaktion der Ärzte, die ihr das Gefühl gaben, etwas Besonderes zu sein. Irgendwie nicht von dieser Welt. Es war das ständige Kopfschütteln dieser studierten Damen und Herren gewesen. Dies und die Tatsache, dass jede Blutuntersuchung eine andere Blutgruppe ergeben hatte. Als kleines Kind hatte sie das noch nicht verstanden, aber sie hatte oft genug den ratlosen Blick ihrer Adoptivmutter gesehen, wenn sie aus ihren dunklen Augen auf die Befunde geblickt hatte. Mit demselben Blick hatte sie auch Linda angesehen, tat es heute noch, als wolle sie herausfinden, was oder wer Linda war. Zumindest war immer
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