Jenseits der Finsternis - Eine Vampir Romanze (German Edition)
ein zweifelnder Ausdruck in ihrem Gesicht gewesen, eine Mischung aus Sorge und...
...Angst.
Aber es war nicht die Angst um das Leben ihrer Stieftochter gewesen, sondern vielmehr eine tiefer sitzende Furcht vor dem Unbekannten. Sie hatte es Linda zwar nie gesagt und es ihr auch nie zu verstehen gegeben, aber es war immer eine gewisse Distanz zwischen den beiden geblieben. Selbst in Momenten, in denen sie der kleinen Linda Trost spendete. Als sie erfahren hatte, dass ihre Mutter eigentlich ihre Stiefmutter war, hatte Linda es damit in Verbindung gebracht, aber bald war ihr aufgefallen, dass es eine Zurückhaltung war, die nicht auf den Tod ihrer Eltern zurückzuführen war, sondern auf die Tatsache, dass sie anders war als andere Kinder, und sei es nur in ihrem Inneren. Äußerlich hatte man dem lebenslustigen kleinen Mädchen nie etwas ansehen können. Dennoch war es ihr schon lange vor dem ersten Schultag aufgefallen, dass manche Menschen sie mieden, als hätte sie eine ansteckende Krankheit. Einige waren sogar vor ihr zurück gewichen. Auch heute erlebte sie das noch manchmal. Es waren aber immer Menschen gewesen, die auf Linda einen unheimlichen Eindruck gemacht hatten, einen Eindruck, den sie nicht beschreiben konnte. Sie hatte immer den Eindruck gehabt, als wären die Menschen, die sie mieden selbst aus einer anderen Welt.
Ihre Stiefmutter hatte dann gelacht und gesagt: „Das liegt daran, dass es Menschen gibt, die erkennen, dass du klüger bist als sie. Dumme Menschen haben große Angst vor klugen Menschen, weißt du?“ Dann hatte sie Linda in den Arm genommen, über ihr brünettes Haar gestrichen und sie mit ihrem Lachen getröstet. Sie hatten immer viel miteinander gelacht.
Auf der Straße stand ein Wolf.
Linda blieb stehen. Sie stellte sich mit den Füßen neben ihrem Fahrrad auf den Asphalt. Sie wagte es nicht, eine weitere Bewegung zu machen. Nicht einmal zu atmen traute sie sich.
Der Wolf war etwa zwanzig Meter von ihr entfernt und sah sie vollkommen ruhig an. Sein Brustkorb bewegte sich sanft. Er machte keine Anstalten, auf sie zuzulaufen oder sie gar anzugreifen.
Linda konnte seine schwarzen Augen sehen. Sein silbergraues Fell schimmerte in der Sonne des frühen Nachmittags.
Sei vorsichtig, Linda. Auch der vertrauteste Weg birgt viele Gefahren. Linda hörte die Worte ihrer Stiefmutter in ihrem Inneren. Sie wusste nicht, was sie jetzt tun sollte. Die Angst vor diesem Tier lähmte sie. Bleib einfach ruhig stehen bis er wieder verschwindet , dachte sie. Er wird wieder verschwinden, ganz bestimmt. Sie fragte sich dabei nicht einmal, wo in dieser Gegend so plötzlich ein Wolf herkommen sollte, aber sie hatte schon von Wölfen in den großen Städten wie New York gehört. Sie begann zu schwitzen, vor Angst, nicht durch die Wärme des Tages. Einmal hatte sie gelesen, dass man wilden Raubtieren nicht in die Augen sehen sollte, das würde einen Angriff provozieren, aber sie war wie hypnotisiert von den dunklen und schönen Augen dieses Tieres. Fast war es ihr, als wolle er ihr sagen, dass er nicht ihr Feind war und hier war, um sie zu beschützen.
Ein großer Schatten legte sich über sie und die Straße. Linda drehte sich um. Sie konnte nichts sehen, außer einen schwarzen Wolke, die die Sonne verdunkelte. Ängstlich wandte sie sich wieder dem Wolf zu.
Er sprang los und rannte auf sie zu.
Linda erstarrte für eine Sekunde, dann drehte sie schnell ihr Fahrrad um und fuhr los. Sie wusste, dass sie in wenigen Sekunden sterben würde, und sie schrie, während sie mit aller Kraft, die sie mit ihren elf Jahren hatte, in die Pedale trat.
Hinter sich hörte sie das Fauchen des Tiers, das in ein Brüllen überging.
Der schwarze Schatten über ihr verfolgte sie. Sie hörte ein Flattern, wie von riesigen Flügeln. Aber sie hatte nicht den Mut, sich umzudrehen, weil sie wusste, dass sie das Tempo kosten würde. Jetzt konnte sie die mächtigen Pranken des Wolfs hinter sich hören. Er kam immer näher und würde sie bald eingeholt haben.
Auf der Straße, einige Meter vor ihr stand eine schwarz gekleidete Gestalt. Linda konnte sie nicht genau erkennen, aber sie sah, dass sie die Fratze eines Ungeheuers hatte.
Reflexartig bremste sie, dachte dabei gar nicht mehr an den Wolf und sah aus den Augenwinkeln, wie das mächtige Tier an ihr vorbei preschte.
Vorbei , dachte Linda. Der Wolf läuft an mir vorbei. Er war gar nicht hinter mir her.
Der Wolf näherte sich dem schattenhaften Wesen und sprang mit einem
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