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Jenseits der Finsternis

Jenseits der Finsternis

Titel: Jenseits der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Nagula
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Heiligenbildchen in den Tabacchis zwischen Messina und Palermo oder die Einschaltquote bei bestimmten Quizsendungen – alles war wichtig, auswertbar und neue Planzahl …
    Armand leerte das Cognac-Glas. Die Wärme rief ein angenehmes, friedliches Gefühl in ihm hervor.
    In diesem Augenblick fühlte er sich wie ein Herold, der einem neuen, großartigen Jahrtausend den Weg bereitet hatte.
    Es wurde Zeit für ihn. Noch immer lächelnd stellte er das Glas ab. Er schob einige Flaschen mit ausgewählten Getränken zur Seite und berührte einen unsichtbaren Knopf.
    Eine massiv gepanzerte Safetür schob sich zur Seite. Der kleine Safe war völlig leer – bis auf einen unscheinbaren, grauweißen Briefumschlag. Armand zögerte einen Augenblick, dann nahm er den Umschlag aus dem Fach. Er blickte auf die mit Laser-Ink geschriebene Adresse. Sein eigener Name stand unter einer langen, primitiv wirkenden Zahlenkombination. Die Datenverarbeitung war damals in den Achtzigern doch noch sehr in den Anfängen gewesen …
    Inzwischen gab es längst keinen Postversand und keine Briefumschläge mehr. Auch keine Stempel, mit denen Postboten höchstpersönlich vermerkten, ob ein nicht angetroffener Empfänger nur »unbekannt verzogen« oder »verstorben« war.
    Armand faltete den Brief zusammen, zerriß ihn und legte ihn in eine Kristallschale. Er zündete die Fetzen an und wartete. Das war die letzte Gelegenheit, ein Beweisstück zu vernichten, mit dem er sich die ganzen Jahre über eine Rückversicherung verschafft hatte. Nur für den Fall natürlich, daß irgendeiner dieser DATSCHAS auf den Gedanken gekommen wäre, in der Vergangenheit mehr als sonst üblich nachzuforschen …
    Sie hatten es versucht. Immer wieder und mit allen Mitteln. Aber sie hatten nicht bedacht, daß nichts so unangreifbar war wie eine falsch gespeicherte Information. Jedenfalls damals – Mitte der achtziger Jahre …
     
    Das Mädchen nahm den nächsten Briefumschlag vom Stapel. Sie sah auf die Adresse. Im blau verwischten Poststempel daneben war die Rubrik »verstorben« angekreuzt.
    Obwohl sie müde war, fuhr sie plötzlich zusammen. Die ganze Zeit hatte sie unzustellbare Rückläufe des letzten Direct Mails von einem der vielen Stapel genommen und die Kodierungen in die Tastatur unter einem kleinen Monitor eingetippt.
    »Das ist ja merkwürdig«, sagte sie und drehte sich um. Der schlanke junge Mann am anderen Ende des Raumes hob den Kopf. Er hatte eine schwarze Soutane an.
    »Stimmt etwas nicht?«
    »Hier ist zweimal eine Einladung auf den gleichen Namen zurückgekommen, Pater.«
    »Ich weiß«, seufzte er. »Wir müssen endlich einmal die verschiedenen Daten aufeinander abstimmen! Mein Gott, wenn ich bedenke, wie ordentlich die Kirchenbücher noch vor wenigen Jahrzehnten geführt wurden …«
    Sie hob den Kopf und sah ihn schräg von unten an.
    »Soll ich den Namen in allen Dateien streichen?«
    Er lächelte sie an, ohne genau zuzuhören. Seit langem wußte er, daß sie sich mehr für ihn als für das Ändern von Adressenlisten im Computer interessierte.
    »Sei vernünftig, Beate«, sagte er leise. Er nahm die Briefumschläge aus ihrer Hand. Dabei konnte er nicht verhindern, daß ihre Finger sich berührten.
    »Ich … ich kann nur eine Adresse streichen«, sagte sie.
    »Na schön, dann laß die andere stehen. Du kannst von mir aus meine Kodenummer mit dem Namen des Dahingeschiedenen kombinieren …«
    »Aber Pater! Das geht doch nicht!«
    »Natürlich geht das! Dann kommt ein Brief von jeder Aussendung eben bei mir an. Eine Kontrolladresse sozusagen … das ist doch nichts Verbotenes!«
    »Sie meinen, sein Name und Ihre Personenkennzahl?«
    »Versuchen wir’s doch einmal …«
    Sie zögerte noch immer. Erst als er die beiden nicht zustellbaren Briefe in kleine Fetzen zerriß, wandte sie sich kopfschüttelnd der Tastatur unter dem Bildschirm zu.
     
    Einige Monate später wurde Armand von Echterdingk in seine alte Gemeinde zurückversetzt. Kurz darauf hatte er plötzlich das Gefühl, mehr und mehr in einen luftleeren Raum zu geraten.
    Er wurde nicht mehr eingeladen, bekam keine Zeitschriften mehr und erhielt eines Tages sogar eine Rückzahlung für Steuern, die er nie bezahlt hatte.
    Genau neun Monate nach jenem bewußten Abend mit Beate klingelte ein Briefträger Sturm an seiner Wohnungstür. Er brachte einen ganzen Sack mit Post – allesamt adressiert an einen Toten.
    Armand benötigte die ganze Nacht, um Brief für Brief zu öffnen und zu lesen.
    Zu

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