Jenseits Der Grenze
hinzugefügt, was über die Enigma-Rasse bekannt ist. Sie würden uns gern eine Theorie vorstellen.«
Ein leises Seufzen ging durch den Raum wie von einer Gruppe Studenten, die soeben erfahren hatten, dass sie sich eine besonders langweilige Vorlesung anhören mussten. »Bringen wir’s hinter uns«, murmelte irgendwer.
Geary tippte die Befehle ein, die gleich darauf die zivilen Experten als kleine Gruppe am Tisch auftauchen ließen. Dr. Setin stand auf und begann mit sichtlichem Eifer zu reden: »Wir können Ihnen allen gar nicht genug für diese Gelegenheit danken. Es ist sehr riskant, mit zu wenigen Informationen zu viel zu spekulieren, aber meine Kollegin Dr. Shwartz ist auf eine interessante Perspektive gestoßen, von der wir glauben, dass Sie sie faszinieren wird.«
Shwartz erhob sich, als Setin sich wieder hingesetzt hatte. Sie sah sich am Tisch um, strich eine Strähne ihres recht kurz geschnittenen Haares aus der Stirn und begann plötzlich zu lächeln. »Verzeihen Sie, aber so wie meine Kollegen bin ich es nicht gewöhnt, dass man unseren Theorien allzu viel Interesse schenkt. Das ist für uns eine sehr ungewöhnliche Erfahrung.«
Sie zeigte auf die Darstellung des Sterns Hina, der über dem Tisch schwebte. »Ich glaube, die Enigma-Rasse unterscheidet sich von der Menschheit auf eine sehr markante Weise. Ich muss Ihnen als Offizieren des Militärs nicht erklären, dass wir Menschen uns bei unserem Umgang mit anderen Menschen auf offen zur Schau gestellte Macht und Aggression stützen. Das liegt in unserer Natur, so hat sich unsere Spezies aufgrund der Erfahrungen unserer frühesten Vorfahren entwickelt. Wenn wir einem Widersacher gegenübertreten, dann versuchen wir, unser eigenes Erscheinungsbild aufzublähen, um bedrohlicher zu wirken. Wir stehen aufrechter da, die Schultern gestrafft, die Arme leicht geöffnet, die Finger gespreizt – in etwa so wie eine Katze, die einen Buckel macht und ihr Fell sträubt, sodass sie eine größere Silhouette erzeugt. Was wir bauen, spiegelt genau diese Denkweise wieder. Unsere Schlachtschiffe wirken todbringend. Sie sollen nicht nur leistungsfähige Kriegsmaschinen sein, sondern sie sollen auch Bedrohung und Macht projizieren.«
Shwartz hielt kurz inne. »Die Enigma-Rasse dagegen scheint eine genau entgegengesetzte Strategie zu verfolgen. Ihre Methode ist uns Menschen nicht fremd, aber sie entspricht nicht unseren Instinkten. Ich gehe daher davon aus, dass die Enigmas nicht durch offen zur Schau gestellte Aggression agieren, sondern dadurch, dass sie ihre Gegenwart und ihre Macht verstecken.«
»Wie soll man jemanden beeindrucken oder abschrecken oder sonstwie reagieren lassen, wenn man sich vor demjenigen versteckt?«, wunderte sich Badaya.
»Stellen Sie sich vor, Sie sind in einem abgedunkelten Raum«, erwiderte Dr. Shwartz. »In einem pechschwarzen Raum. Ist da jemand bei Ihnen? Wer ist da? Ist er gefährlich? Ist er so gefährlich, dass er Sie töten könnte? Wollen Sie ihn bekämpfen? Oder lieber weglaufen? Aber wenn Sie kämpfen wollen – wie bekämpfen Sie das Unbekannte?«
Inzwischen hörten die Flottenoffiziere ihr aufmerksam zu, und Desjani nickte zustimmend. »Ihre Theorie passt zu allem, was wir über die Aliens wissen. Sie legen vor allem Wert darauf, sich vor uns versteckt zu halten. Sogar die Würmer, die sich in die Betriebssysteme unserer Schiffe eingeschlichen hatten, sorgten dafür, dass die Aliens von unseren Sensoren nicht erfasst wurden, während sie immer genau wussten, wo wir uns aufhielten. Und die Würmer in den Hypernet-Portalen machten diese Installationen zu heimlichen Waffen, die uns überrumpeln sollten.«
»Genau«, bestätigte Shwartz. »Eine solche Vorgehensweise ist uns nicht fremd, schließlich arbeiten auch die Menschen mit Hinterhalten und greifen an, wenn der Feind uns den Rücken zudreht. Wir betrachten so etwas als unfair und unehrenhaft. Unsere Instinkte sagen uns, dass sich bei einer Auseinandersetzung die beiden Kontrahenten gegenüberstehen sollten, um sich einen ›fairen Kampf‹ zu liefern, wie wir es nennen.«
»Schlangen«, warf Captain Vitali ein. »Wollen Sie sagen, die Enigmas verhalten sich wie Schlangen?«
»In gewisser Weise könnte man das wohl so formulieren.«
»Aber bekämpfen sich Schlangen gegenseitig auch mit Hinterlist und Heimtücke?«, wollte Badaya wissen. »Bekämpfen sich Schlangen überhaupt gegenseitig? Ich sage Ihnen, was mich bei Ihrer Theorie beunruhigt, Doctor. Wenn man das
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