Jenseits Der Grenze
da es ihm nicht möglich war, die Region vor dem Sprungpunkt zu verlassen. Das Risiko, von einem kollabierenden Hypernet-Portal vernichtet zu werden, war einfach zu groß.
»Captain?«, ließ die Systemwachhabende nach vier ereignislosen Stunden in nachdenklichem Tonfall verlauten. »Beim Verhalten der Aliens ist mir etwas aufgefallen. Ich kann mich auch irren, aber …«
»Wenn Ihnen etwas aufgefallen ist, dann würde ich das gerne hören«, sagte Desjani prompt.
»Ja, Ma’am. Es ist so … wenn Sie sich die Reaktion der Alien-Schiffe ansehen, dann reagieren die mutmaßlichen Frachter in dem Moment, in dem sie das Licht unserer Ankunft erreicht. Aber dieses Kriegsschiff in eineinhalb Lichtstunden Entfernung hat auch erst reagiert, als es uns sehen konnte. Und vor ein paar Minuten hat uns das Licht des zweiten Kriegsschiffs der Aliens erreicht, das nur rund fünfundvierzig Lichtminuten von dem anderen entfernt ist. Dabei ist mir aufgefallen, dass es wenige Minuten nach dem Moment reagiert haben muss, nachdem das erste Schiff das Licht unserer Ankunft gesehen haben dürfte.«
Desjani nickte und betrachtete ihr eigenes Display. »Das passt zu unserer Vermutung, dass sie zu einer Kommunikation mit Überlicht fähig sind, ihre Sensoren diese Eigenschaft aber nicht besitzen, nicht wahr?«
»Ja, Captain. Das erste Kriegsschiff musste unser Licht sehen, um zu wissen, dass wir hier sind. Aber das verrät uns noch etwas anderes«, fügte sie hinzu, »und zwar, dass ihre Handelsschiffe nicht über Überlicht-Komm verfügen. Erst nachdem das eine Kriegsschiff uns bemerkt hatte, zeigte das andere eine Reaktion.«
»Gut zu wissen. Hervorragende Arbeit, Lieutenant Castries.«
Rione und Charban schickten ihre vor einer Weile verfassten Grußbotschaften an die Aliens, in denen sie die bisherigen kriegerischen Auseinandersetzungen bedauerten, ihr Interesse an einem echten Dialog bekräftigten und ihnen anboten, Bedingungen für eine friedliche Koexistenz zu verhandeln.
Fünf Stunden nach Ankunft der Flotte im System traf eine Nachricht von den Aliens ein, die eindeutig abgeschickt worden war, bevor sie die Mitteilung der beiden Gesandten hatten hören können. Geary sah die gleichen menschlichen Avatare, die die Aliens schon bei Midway benutzt hatten, um ihre wahre Identität dahinter zu verstecken.
Ein »Mensch« saß im Kommandosessel einer virtuellen Brücke, die aus Syndik-Übertragungen digital zusammengebastelt worden war. Mit ernster Miene schaute dieser Mensch drein und machte dabei eine Geste, die vermutlich als Drohgebärde gemeint war, die aber von den realen Menschen als fehl am Platz wahrgenommen wurde. »Gehen Sie. Gehen Sie jetzt. Bleiben Sie, und Sie werden sterben. Dieser Stern gehört uns. Nicht Ihnen. Gehen Sie oder Sie werden sterben. Dieser Stern gehört uns. Gehen Sie oder sterben Sie.«
»Da bleibt nicht viel Verhandlungsspielraum«, stellte Desjani fest.
»Nein«, pflichtete Geary ihr bei. »Leiten Sie diese Nachricht an die zivilen Experten weiter, damit die sich damit befassen können. Und stellen Sie sicher, dass unsere Gesandten das auch zu sehen bekommen.« Sein Blick kehrte zurück zur Darstellung der feindlichen Kriegsschiffe auf seinem Display. Alle Enigma-Kriegsschiffe im System hatten Kurs auf die Allianz-Flotte genommen, nur die beiden, die ihnen am nächsten waren, hatten in einer Entfernung von einer Lichtstunde angehalten und verharrten nun dort. Entweder wollten sie sich ihnen nur in den Weg stellen, da sie zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen waren, oder sie warteten, bis sich alle Schiffe versammelt hatten, um dann einen immer noch aussichtslosen Angriff zu beginnen.
»Admiral?«
Er zuckte leicht zusammen, sah zu Desjani und merkte erst jetzt, dass er sich offenbar in seinen Gedanken verloren hatte. »Tut mir leid.«
»Alles in Ordnung?«, fragte sie. »Sie waren eine ganze Weile schweigsam.«
»Ich habe nur etwas überlegt«, versicherte er ihr.
»Schon wieder?«
»Ja, Captain Desjani.« Er deutete auf sein Display. »Ich habe über die Tatsache nachgedacht, dass diese Aliens zwar überlegene Manövrierfähigkeiten besitzen, ihre Waffen aber – jedenfalls die, die sie gegen uns eingesetzt haben – nicht besser als unsere sind, vielleicht sogar noch etwas schwächer. Das ist sehr widersprüchlich.«
»Nein, finde ich gar nicht«, gab Desjani zurück. »Angenommen, Ihre Waffe ist ein Messer. Kein überragendes Messer, aber eines, das seine Dienste tut. Und angenommen, Sie
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