Jenseits Der Grenze
zu Zeit tauchten in der Nähe der Luftschleuse Lieferungen mit Lebensmitteln auf, die ganz eindeutig von Menschen verarbeitet und zubereitet worden waren. Nach ihrer körperlichen Verfassung zu urteilen haben sie eine ausgewogene Ernährung erhalten, nur war die die meiste Zeit über sehr eintönig.«
»Und ihre geistige Verfassung? Wie sieht es damit aus?«
Der Arzt sah kurz vor sich, ehe er antwortete. »Zerbrechlich. Sie hatten in diesem Asteroiden eine Gesellschaftsstruktur errichtet, die stabil genug war, um Wissen weitergeben und Ordnung wahren zu können. Es gab eine Art Rat, der Entscheidungen traf. Aber sie waren völlig isoliert und den Launen eines unbekannten und unsichtbaren Gegners ausgeliefert, der sie in dieser Umgebung festhielt. Jetzt können ein paar von ihnen es nicht erwarten, endlich wieder den Himmel über sich zu sehen, während andere genau davor panische Angst empfinden. Ihre Welt ist nicht nur im übertragenen Sinn, sondern auch buchstäblich zerstört worden, und das hat ihrem Leben die vertraute Stabilität genommen.«
»Aber es war doch richtig, sie zu retten, oder nicht?«, vergewisserte sich Geary seufzend.
»Natürlich. Ein Käfig ist und bleibt nun mal ein Käfig. Aber sie werden Mühe haben, sich an ihre Freiheit zu gewöhnen. Was werden Sie mit ihnen machen?«
»Sie nach Hause bringen.« Geary hielt inne, da ihm klar wurde, dass das gar nicht so einfach sein würde, wie es sich im ersten Moment anhörte. »Sie müssten eigentlich alle noch irgendwelche Verwandten im Syndik-Territorium haben.«
»Wo die Zentralregierung die Kontrolle über viele Sternensysteme verloren hat«, gab der Arzt zu bedenken. »Für einige von ihnen wird das Wiedersehen nicht allzu schwierig ausfallen, weil sie aus einer Welt gerissen wurden, in die sie zurückkehren können. Andere sind aber die Nachfahren von Syndiks, die vor über hundert Jahren in Gefangenschaft geraten waren. Sie kennen kein anderes Zuhause als das Innere dieses Asteroiden, und ihre Familie sind die Menschen, mit denen sie dort lebten.«
Nach einem kurzen Zögern fuhr der Arzt bedächtiger fort: »Ich habe Angst um sie, Admiral. Sie sind … einzigartige und damit sehr kostbare … Forschungssubjekte. So, jetzt ist es raus … Es gibt viele Leute, die sie liebend gern als Versuchskaninchen benutzen würden, die mit ihnen also nichts anderes anstellen würden als die Aliens. Sie haben niemanden, der sich schützend vor sie stellt, erst recht nicht in den Syndikatwelten. Diese Leute müssen davor bewahrt werden, dass man sie wie Menschen ohne irgendwelche Rechte behandelt.«
»Meinen Schutzmöglichkeiten für diese Leute sind Grenzen gesetzt, Doctor.«
»Aber Sie können sie zurück in die Allianz mitnehmen, wenn sie das wollen«, beharrte der Chefarzt. »Da treten andere für ihre Rechte ein. Und wenn Black Jack Geary öffentlich erklärt, dass man diese Leute wie Menschen behandeln soll, die schon genug gelitten haben, dann wird das Einfluss auf den Umgang mit ihnen haben. Vielleicht sogar im Territorium der Syndikatwelten.«
Der Gedanke war nicht verkehrt, aber Geary konnte dabei eine maßgebliche Hürde nicht übersehen. »Ich werde eine solche Erklärung abgeben, allerdings stellt sich die Frage, was sein soll, wenn sie gar nicht in die Allianz gebracht werden wollen.«
»Admiral, was werden Syndik-CEOs mit diesen Leuten anstellen? Die Antwort darauf kennen Sie so gut wie ich. Ich weiß, es wird noch eine Weile dauern, bis wir zurück bei den Syndiks sind, aber ich möchte Sie bitten, sich bis dahin diese Sache noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen.«
Die befreiten Menschen waren allesamt auf der Typhoon untergebracht. Zwar hatten deshalb einige Marines anderswo hingeschickt werden müssen, aber die Flottenärzte hatten darauf gedrängt, dass diese Leute als Gruppe zusammenblieben, um sie nicht noch mehr zu verunsichern. Die Konferenzsoftware wurde so angepasst, dass sich Geary an sie alle gleichzeitig wenden konnte, indem er in jedem ihrer Quartiere gleichzeitig auftauchte, während es ihm erschien, als würden sie sich alle in einem großen Raum aufhalten, um ihm zuzuhören.
Er hatte die Gefangenen gesehen, die seine Flotte bei der Flucht aus dem Syndikterritorium aus deren Arbeitslagern befreit hatte, doch das hier war eine ganz andere Situation. Die Menschen standen dicht an dicht, fast so, als würde sich einer am anderen festklammern. Manche trugen Kleidung aus den Beständen der Flotte, andere hatten das
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