Jenseits Der Schatten
konzentrierte Terah Graesin sich ganz auf ihren Triumph und kostete ihn aus, nahm Gratulationen entgegen, trank - verdammt, Gift hätte funktioniert - und flirtete unverhohlen sowohl mit Lantano Garuwashi als auch mit ihrem Bruder. Für Kylar war es der Vergleich der zwei Herrscher, die sie sein würden - Logan darauf bedacht, die Situation seines Landes zum Besseren zu wenden, Terah ganz auf sich selbst bedacht.
Im Laufe des Abends wurde ihm klar, dass jemand die Krone
gereinigt haben musste, bevor die Königin sie aufgesetzt hatte. Auf diese Weise stellte sich Kylar eine Entscheidung, von der er gedacht hatte, er habe sie bereits getroffen, aufs Neue.
Es tat gut, mit seinen Freunden zusammen zu sein. Hier, an der hohen Tafel, war Kylar plötzlich legitim und nicht länger allein. Er konnte hier bei den Menschen bleiben, die er bewunderte und liebte. Momma K, Graf Drake und Logan konnten für den Rest seines Lebens seine Gefährten sein. Er konnte Elene suchen und sie zurückholen und ihr dieses Leben schenken. Ein Leben jenseits der Schatten. Vielleicht brauchte er nicht der Wolf in der Kälte zu sein.
Götter! Er war unsterblich! Wäre es so schlimm, sich ein einziges Leben in Glück und Zufriedenheit zu gönnen? Drake und Momma K hatten der Sklaverei ein Ende bereitet, während ein korrupter König geherrscht hatte. Gewiss konnten sie alle zusammen, Logan, Graf Drake, Kylar und Momma K, den Schaden abfedern, den eine törichte Königin anrichtete.
Königin Graesin ertappte Kylar dabei, dass er sie anstarrte. Sie zwinkerte ihm zu.
Als das Festmahl endete, erhob sich Königin Graesin und ging Arm in Arm mit Lantano Garuwashi in einen der angrenzenden Räume. Der Rest der hohen Tafel erhob sich als Nächstes, und Kylar machte Anstalten, Terah zu folgen. Logan legte ihm eine Hand auf den Arm und zog einen dicken Ring vom Finger, auf dem Pferde eingraviert waren. »Dies ist ein Symbol Eures neuen Amtes, Marquess.« Aus einer Tasche förderte er einen weiteren, viel kleineren Siegelring mit etwas hervor, das aussah wie ein winziger Drache. Kylar erkannte den Ring. »Das ist der Ring des Hauses Drake. Nimm ihn. Es gibt ein Leben jenseits der Schatten.«
Kylar hatte schon früher sein Leben gegeben. Er war gestorben, um die Frau zu retten, die er liebte. Er war gestorben, um
das Geld zu beschaffen, um aus Cenaria fortzukommen. Er war gestorben, weil er sich geweigert hatte, in Terah Graesins Auftrag Logan zu töten. Er war gestorben, weil er sich dem Gottkönig widersetzt hatte. Es hatte niemals Spaß gemacht, aber er hatte begonnen darauf zu vertrauen, dass er zurückkommen würde. Jeder andere Tod hatte ihn lediglich die Schmerzen des Sterbens gekostet. Dieser Tod würde ihn das Leben kosten. Er würde für immer fortgehen müssen. Würde in einem fernen Land ganz neu anfangen müssen. Es würde so sein, als sei jeder einzelne seiner Freunde gleichzeitig gestorben.
»Du wirst ein großer König sein«, sagte Kylar.
»Wie viele Menschen bist du für diese Idee zu töten bereit?«
»Es ist keine Idee. Es ist ein Traum. Und wenn Ihr mich jetzt bitte entschuldigen wollt, Euer Gnaden, je länger die Menschen mich im Gespräch mit Euch sehen, desto mehr werde ich Euren Ruf besudeln.« Kylar drehte sich um und folgte Terah Graesin ins Nebenzimmer.
»Euer Gnaden«, sagte Momma K, die sich für eine Weile unter die Gäste gemischt hatte und inzwischen zurückgekehrt war. »Ich denke, wir sollten bleiben. Ich höre, der neue Barde hat ein wunderbares neues Lied komponiert.«
46
Quoglee Mars hatte nichts gegessen. Wenn überhaupt, würde er später essen, mit den Dienern. Aber heute Abend machte es ihm nichts aus. Er schlenderte zwischen den Tischen umher und spielte, was immer die fadenscheinigen Edelleute an lachhafter
Musik erbaten. Er nahm ihren Applaus entgegen und zog weiter, erpicht darauf, die nächste Gruppe von Emporkömmlingen zu erfreuen.
Nach dem Essen wurde die Burg geöffnet, und Diener brachten die Tische fort, damit die Edelleute umhergehen konnten und eine Chance bekamen, einige Worte mit der neuen Königin zu wechseln und sie ihrer Ehrerbietung zu versichern. In zahlreichen Räumen boten Spielleute zu Desserts und Likörweinen ihre Kunst dar. Quoglee wartete, bis das Fest eine Weile im Gang war, bevor er auf das Podest stieg, auf dem die hohe Tafel gestanden hatte. Die Wachen, die zwischen den Gästen umhergegangen waren, hatten alle den Saal verlassen, und mehrere der wichtigsten Edelleute des
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