Jenseits Der Schatten
schritt, während der Patr und der Priester Gebete sprachen und ihre Krönung segneten. Zu guter Letzt nahmen die beiden Geistlichen und Herzog Wesseros gemeinsam die Krone von ihrem purpurnen Kissen.
Noch nicht. Lieber Gott, noch nicht. Kylar hatte nicht einmal darüber nachgedacht, was jenen, die Terah krönten, widerfahren würde, wenn sie bereits schwitzte. Als Repräsentanten aller Götter und des Landes selbst setzten die drei Männer Königin Graesin die Krone auf.
Nichts geschah. Sie nahm ein Zepter von Herzog Wesseros entgegen und ein Schwert von Lordgeneral Graesin, hielt beides lange Sekunden hoch und gab Zepter und Schwert dann wieder zurück. Die Männer machten eine tiefe Verbeugung, dann bedeutete sie ihnen, sich zu erheben, während sie selbst Platz nahm. Die Männer zogen sich zurück. Trompeten erschallten, und Kylar zuckte zusammen. Alle standen auf, und Applaus brandete durch die Große Halle.
Die Königin lächelte, während alle Anwesenden jubelten. Sie stand da und gestikulierte huldvoll. Türen wurden zu beiden Seiten aufgerissen, und eine Prozession von Dienern strömte herein, um Tische und Essen zu bringen. Musikanten und Jongleure mischten sich unter die Menge, während die Diener den Raum für ein Festmahl herrichteten. Kylar nahm es kaum wahr. Sein Blick war unausgesetzt auf Terah Graesin gerichtet.
Logan schlug ihm auf die Schulter. »Nun, das war’s dann, hm?« Kylar drehte sich nicht um. »Kommt, Marquess Drake, heute Abend sitzt Ihr an der hohen Tafel.«
45
Kylar ließ sich von Logan zu einem Platz zwischen einer geschwätzigen, vierzig Jahre alten Kusine dritten Grades der Gunders, die hoffte, Anspruch auf das Herzogtum Gunder erheben zu können, und Momma K geleiten, die rechts von Logan saß. Sie quittierte Kylars unverhohlenes Staunen mit einem Lächeln.
»Erzählt mir nicht, Ihr hättet Euch auch einen Titel zugelegt«, sagte Kylar.
»Du vergisst, Kylar, dass ich mehr höfische Gesellschaften besucht habe als du - obwohl ich zugebe, dass es während des letzten Jahrzehnts nicht viele waren. Zum beständigen Zorn einer jeden unverheirateten Frau im Raum hat Herzog Gyre mich für den heutigen Abend als Begleiterin erwählt.«
»Wirklich?«, fragte Kylar ungläubig. Zu spät fiel Kylar wieder ein, dass Gwinvere Kirena die Kurtisane einer ganzen Epoche gewesen war, obwohl sie sich, als Kylar sie kennenlernte, bereits aus dem Gewerbe zurückgezogen hatte. Sie hatte zweifellos viele der Lords in eben diesem Raum zu ähnlichen Anlässen begleitet. Er wusste, dass es zu Beginn ihrer Karriere ein bequemes Gerücht gegeben hatte, nach dem Gwinvere eine alitaerische Gräfin sei, aber nach einer Weile war selbst das unnötig geworden. Eine Frau wie sie, so schön, so charmant, so anmutig im Tanz, so begabt als Sängerin, so geschickt in der Konversation und so diskret, stellte die Ausnahme für viele Regeln dar.
Momma K zog eine Augenbraue hoch.
»Ähm, tut mir leid, ich meinte nicht -«
Logan kam ihm zu Hilfe, indem er sagte: »Ich habe sie gefragt, bevor irgendjemand sonst es tun konnte. Ich finde, dass es zu wenige schöne Frauen in diesem Reich gibt, die intelligent genug sind, um ganze Sätze zu bilden.«
»Du, suoch moal«, erwiderte Momma K mit perfektem Küstenakzent, »wo is denn hier der Sss-pucknapf?«
Kylar lachte laut auf. Die Wahrheit sah wohl eher so aus: Die Trauerkleider und das Erscheinen mit einer älteren Frau waren für Logan die einfachste Möglichkeit, um unerwünschte Annäherungsversuche abzuwehren. Wenn Logan mit einer jungen Frau als Begleiterin erschienen wäre - oder ganz ohne Begleitung -, hätten sich die Kupplerinnen auf ihn gestürzt, Trauerkleider hin, Trauerkleider her. Kylar kicherte noch immer leise vor sich hin, als er einige Schritte hinter Logan Terah Graesin sah, und sein Lachen erstarb.
»Kylar?«, fragte Momma K. »Stimmt etwas nicht?«
Er schüttelte sich. »Ich warte die ganze Zeit darauf, dass ihr Kopf explodiert.« Zu seiner Rechten schnappte die geschwätzige Erbschleicherin nach Luft. Er ignorierte sie. Er konnte den Blick nicht von der Königin abwenden. Sie trank. Sie beugte sich zu Lantano Garuwashi auf ihrer Rechten vor und verstrickte ihn in ein privates Gespräch. Sie scherzte mit einem Lord an einem der unteren Tische, der seine Frau mit Wein bespritzt hatte. Sie plauderte mit ihrem Bruder zu ihrer Linken. Die ganze Zeit wartete ihr Tod.
Kylar hatte damit gerechnet, dass die Explosion kommen würde, kurz nachdem man
Weitere Kostenlose Bücher