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Jenseits Der Schatten

Titel: Jenseits Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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einen Vürdmeister zu sehen, der seine Vir verbergen und den Gottkönig selbst verraten konnte - wie er es in seiner eigenen Jugend getan hatte. Besondere Beachtung schenkte er jenen, deren Gesichter in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Aber in jedem Fall konnte er noch immer den schwachen Widerhall seines Zwangzaubers auf ihrem Fleisch riechen, und er hatte ihn auf eine ungewöhnliche Weise an sie gebunden, so dass er sein eigenes Werk erkennen würde. Das war der Grund, warum er die Leichen sofort untersuchen musste.
    Wenn ein Vürdmeister ihn verraten und einen Edeling versteckt hatte, musste der Verräter einen Jungen im richtigen Alter finden, ihn töten und sein Gesicht zerstören, er musste seine Kleidung wechseln und das Zaubergewebe des Gottkönigs untersuchen - und bemerken, dass es verändert worden war und wie es verändert worden war - und es auf den toten Jungen selbst legen. Es war durchaus möglich, aber eher unwahrscheinlich, und als er
mit seiner Inspektion der Jungen fertig war, war der Gottkönig sich sicher, dass es nicht geschehen war.
    Im nächsten Raum war es noch schlimmer, obwohl dort kein Blut war bis auf das, was der Gottkönig an seinen weißen Roben hineintrug. Hopper hatte alle Ehefrauen und Konkubinen zusammengeholt. Die fünfzehn Frauen, die schwanger gewesen waren, standen in einer Reihe an einer der Wände. Der Gottkönig ging an ihnen vorbei, berührte geschwollene Leiber und spürte kein Leben darin. Dann ging er an den Übrigen vorbei, um festzustellen, ob eine von diesen schwanger war.
    Er ließ sich Zeit. Ein magisches Gewebe, um eine Schwangerschaft zu verbergen, war leichter zu bewerkstelligen als eine Maskerade der Toten, aber ein größeres Risiko für einen Vürdmeister. Es gab keine Garantie dafür, dass das verborgene Kind hexergeboren sein würde, und erst recht nicht, dass es einen ehrgeizigen Vürdmeister dem khalidorischen Thron näherbringen würde.
    Während er von Frau zu Frau schritt, bemerkte er etwas Beunruhigendes. Da war kein Hass in ihren Augen. Er hatte sie dazu gezwungen, ihm zu helfen, hundertsechsundvierzig Kinder zu ermorden. Er hatte ihre Ungeborenen getötet, aber nur wenige weinten. Die Mehrzahl betrachtete ihn voller Bewunderung, voller Huldigung. Er hatte etwas getan, das über ihren Verstand hinausging, und es hatte perfekt funktioniert. Kurzum, er hatte sich wie der Gott verhalten, den sie in ihm sahen - mächtig, beängstigend, unergründlich.
    »Heute Nachmittag«, sagte er, »wird jede von Euch vor eine Wahl gestellt werden. Wie Ihr wisst, schreibt die Tradition Ehefrauen und Konkubinen vor, sich zu dem verstorbenen Gottkönig auf seinen Scheiterhaufen zu gesellen, bis auf jene, die der neue Gottkönig für sich selbst aufzuheben wünscht. Ihr habt mir gut gedient. Ich würde Euch allen einen Platz in meinem Harem
geben. Garoths Edelinge werden sich im Feuer zu ihm gesellen. Sollen sie ihm im Jenseits dienen. Aber wenn es Euer Wunsch ist, werde ich es Euch nicht verwehren, zu ihnen auf den Scheiterhaufen zu gehen.«
    Daraufhin reagierten die Frauen, wie er es erwartet hatte. Einige brachen zusammen und weinten; andere richteten sich höher und stolzer auf. Einige hatten noch immer nicht verstanden. Aber binnen Sekunden warfen sich alle zu Boden und streckten die Hände nach seinen Füßen aus. Ich bin eine wandelnde Gotteslästerung.
    »Gibt es sonst noch etwas?«, fragte er sie.
    Eine der Frauen, ein kurvenreiches junges Mädchen aus dem oberen Harem, hob zwei Finger.
    »Ja, Olanna?«
    Sie räusperte sich dreimal, bevor sie sprechen konnte. »Sia, Euer Heiligkeit. Sie war nicht bei den schwangeren Mädchen. Sie ist sehr krank geworden und zu den Meistern gegangen, damit sie ihr Baby nicht verliert. Sie ist nie zurückgekommen.«
    Dorian drehte sich der Magen um. Es war, als höre er sein eigenes Todesurteil, zwanzig Jahre bevor es geschah. Er fragte sich, ob er dies geträumt hatte und sich erst jetzt an den Traum erinnerte oder ob seine Angst ganz natürlich war. Er sah Hopper an, der erbleicht war. Hopper diente im niederen Harem, so dass diese Einzelheit ihm entgangen war, aber er wirkte trotzdem entsetzt darüber, dass er es übersehen hatte. Dorian machte eine knappe Handbewegung, und der Mann schlurfte so hastig aus dem Raum, wie sein gestelzter Gang es zuließ. Wahnhoff würde Männer ausschicken, die Jagd auf diese Frau machten und auf den Vürdmeister, der sie fortgebracht hatte, aber sie würden sie nicht finden. Wahnhoff hatte

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