Jenseits Der Schatten
die erste Regel für das Massakrieren Unschuldiger vergessen: Einer kommt immer davon.
63
Als Kylar und Durzo sich der Chantry näherten, glänzte der Alabasterseraph und überragte eine Stadt, die frisch mit Schnee bestäubt war. Das Wasser des Vestacchi-Sees glitzerte in einem hellen Blau, das gemischt war mit dem Rot des frühmorgendlichen Lichts.
Sie stellten ihre Pferde in einem Vorort der Stadt unter, und nachdem sie mit einer alten Frau gesprochen hatten, die die Taverne führte und die ihn zu erkennen schien, nahm Durzo einen Schlüssel von ihr entgegen. Durzo, der die Boote mied, führte sie über schmale, bevölkerte Gehsteige. Kylar betrachtete mit großen Augen den riesigen Seraph und die kreuz und quer verlaufenden Kanäle, die die Straßen der Stadt waren. Er stieß dabei mit Fremden zusammen; einige beschimpften ihn und versetzten ihm ihrerseits Stöße, hielten aber inne, sobald er den Blick seiner kühlen, blauen Augen auf sie herabsenkte. Unter seiner Bewunderung für den Seraph verbarg sich jedoch wachsende Furcht. Er konnte Vi spüren. Er rückte seinen Schwertgürtel zurecht und stieß beklommen den Atem aus. Sie war dort drin, im zweiten oder dritten Stock. Ihre Gefühle waren ein Spiegel seiner eigenen Gefühle.
Durzo ging in ein kleines, staubiges Haus mit einer dicken Tür. Kylar bemerkte, dass er und sein Meister die gleichen Dinge überprüften: Türen, schmale Fenster, Teppiche, Bretterböden. Durzo
war zufrieden. Er öffnete den Sekretär und zog die unterste Schublade heraus, in der ein falscher Boden zutage kam. Kylar sammelte den Ka’kari in der Hand. Ich werde deinen Witz wirklich vermissen.
~Wenn ich Sarkasmus wollte …~, begann der Ka’kari, aber Kylar zwang ihn, Vergeltung zu bedecken. ~Warte!~ Er ließ das Schwert in den Sekretär fallen. Sowohl Vergeltung als auch der Ka’kari waren magischer Natur. Er konnte keins von beiden in die Chantry mitnehmen. Sie würden hierbleiben, bis Kylar fortging.
Durzo schob die untere Schublade zurück, verschloss sie wieder und nahm sich einige Minuten Zeit, um sie mit einer Falle zu versehen. In der Zwischenzeit arbeitete Kylar an seiner Verkleidung, wie Durzo es ihn gelehrt hatte. Nachdem er mit der Falle fertig war, musterte ihn Durzo. »Gar nicht schlecht«, gab er zu.
Minuten später hatte ihr kleiner Kahn kaum neben einem Fischerboot angelegt, das zwei schwarze Flaggen gehisst hatte, als ein vertrautes Gesicht auftauchte.
»Schwester?«, fragte Kylar.
»Es gibt einen König in Cenaria!«, sagte Schwester Ariel und ließ es wie eine Anklage klingen.
»Ist das ein Passwort?«, erkundigte sich Durzo.
»Ruhm sei seinem Namen«, sagte Kylar. »Dürfen wir aus dem Boot steigen?«
»In Torras Bend habe ich dich arrogant genannt. Du sagtest, wir würden deine Arroganz erörtern, wenn es einen König in Cenaria gebe«, bemerkte Schwester Ariel ohne jede Erheiterung. »War das dein Werk?«
»Meins? Wer bin ich, mich mit Königen zu befassen?«, sagte Kylar und grinste.
»Wie ist dein Name, junger Mann? Ich scheine es vergessen zu haben. Und wer ist das?«
»Kyle Blackson. Schön, wieder einmal Eure Bekanntschaft zu machen, Schwester Airy Belle, richtig?« Sie warf ihm einen Blick zu, der Milch hätte gerinnen lassen. »Das ist Dannic Bilsin, Ulys Vater.«
»Sieben Höllen«, sagte Schwester Ariel.
»Freut mich ebenfalls, Euch kennenzulernen«, sagte Durzo.
Kylar stieg aus dem Boot, und Schwester Ariel trat dicht vor ihn hin und schnupperte. Als sie wieder zurücktrat, stand ihr Verwirrung ins Gesicht geschrieben. Sie blickte sich um, um festzustellen, wie weit die anderen Schwestern entfernt waren. »Was hast du mit dir angestellt?«
Auf Durzos Anweisung hin schien Kylar jetzt ein Mann zu sein, der über gewaltiges, nicht angezapftes magisches Talent verfügte. Davon abgesehen roch er wie jeder andere Mann und sah auch so aus. Solange er nicht den Ka’kari oder sein magisches Talent benutzte, würde seine Tarnung bestehen bleiben.
»Ich bin hier, um meine Ehefrau zu sehen«, erklärte Kylar.
»Vi studiert, aber ich kann dafür sorgen, dass man sie nach dem Mittagessen zu dir bringt.«
»Ich meinte die Ehefrau, die ich erwählt habe, nicht die, die Ihr erwählt habt.« Kylar lächelte dünn. Die Farbe wich aus Schwester Ariels Gesicht.
»Du hast keine Ahnung, was du tust, nicht wahr?«, fragte sie.
»Vielleicht bin ich da nicht der Einzige.«
»Und Ihr?«, fragte Schwester Ariel Durzo. »Habt auch Ihr Forderungen, die
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