Jenseits Der Schatten
Labyrinths auf dem Westufer des Plith hatten dafür gesorgt, dass es in diesem Teil der Stadt schon vor Kylars Zeit keine Mauer mehr gegeben hatte. Die reichere Ostseite hatte eine ähnliche, wenn auch langsamere
Erosion erlebt. Aber in den letzten Monaten - während Kylars Abwesenheit - waren Mauern rund um die ganze Stadt hochgezogen worden. Es war einfach atemberaubend. Angesichts der in Cenaria herrschenden Korruption hätte es fünf Generationen von Königen und Millionen von Kronen gebraucht, um das zu erreichen, was Garoth Ursuul mit seiner Grausamkeit und seiner Magie in zwei Monaten geschafft hatte. Natürlich hatte er auch einen reichen Vorrat an Stein gehabt von all den Häusern, die Terah Graesins Anhänger verlassen hatten. Und als diese Steine ausgingen, hatten die Khalidori einfach weitere Häuser abgerissen und sich genommen, was sie brauchten.
Jetzt lagerte die ceuranische Armee in einem Halbkreis, der die Stadt im Süden und Osten umspannte. Als Garuwashis Generäle auf Mauern gestoßen waren, hatten sie eine Belagerung vorbereitet, bis ihr Anführer sich zu ihnen gesellen konnte - was er inzwischen getan hatte. Die Westseite der Stadt war eine abwechselnd sumpfige und felsige Halbinsel, auf der sich das Labyrinth befand. Westlich davon lag der Ozean. Nördlich der Stadt waren Berge und nur eine einzige Möglichkeit, den Plith zu überqueren. Garuwashi hatte sich damit begnügt, diese Brücke niederzubrennen, so dass er seine Streitkräfte auf der Ostseite des Plith und vor den beiden Toren konzentrieren konnte, die er wahrscheinlich angreifen würde.
Garuwashis Armee lagerte wie die Plünderer, die Kylar am Rand von Ezras Wald gesehen hatte. Die Zelte formten ein Gittermuster, mit kleinen Straßen, die die Zelte voneinander trennten. Es gab in regelmäßigen Abständen Kommandozelte, Höflingszelte und Latrinen und Feuer, die mit Präzision verteilt waren.
Was sie nicht hatten, waren Wagen. Welche Tunnel die Ceuraner auch benutzt haben mochten, sie waren für Pferde offensichtlich
nicht groß genug. Garuwashi hatte alles der Schnelligkeit geopfert. Der Kriegsführer hatte seine Armee wahrscheinlich gerade rechtzeitig eingeholt, um das Grauen der Mauern selbst zu sehen. Und jetzt schneite es.
Es würde keine lange Belagerung werden. Als Terah Graesin Cenaria verlassen hatte, hatten jene, die ihr gefolgt waren, ihren Besitz in Brand gesteckt, damit er nicht in khalidorische Hände fiel. Wie viele Getreidespeicher waren diesen Feuern zum Opfer gefallen? Oder vielleicht lautete eine bessere Frage: Wie viele Bäckereien, Mühlen und Lagerhäuser waren noch übrig? Die Männer Lantano Garuwashis hatten die Freiheit der Bewegung, aber alle Ernten waren vor langer Zeit in die Stadt gebracht worden. Lantanos Männer konnten Dörfer in der Umgebung plündern - aber ohne Pferde konnten sie die Fourage nicht schnell zurückbringen, und sie konnten nur mitnehmen, was sie tragen konnten. Selbst wenn sie Pferde stahlen und einige Wagen bauten, würde das Zeit kosten - und sie mussten eine ganze Armee ernähren.
Beide Seiten würden binnen weniger Tage vollkommen verzweifelt sein.
Logans Streitmacht außerhalb der Mauern würde wahrscheinlich nicht viel dazu beitragen, das Gleichgewicht zu beeinflussen, nicht ohne Nachrichtenverbindung zu Terah Graesin. Wenn sie der Königin sagen könnten, dass sie durchhalten und keine Dummheiten machen solle, könnte Logan seine Reiterei einsetzen, um alle Plünderzüge Garuwashis zu vereiteln. In einer Pattsituation, an der dreizehntausend Fußsoldaten beteiligt waren, konnten einige hundert Pferde durchaus den Ausschlag geben. Falls Terah keine Dummheiten machte.
Was bedeutete, dass irgendjemand mit ihr reden musste.
~Irgendjemand? Lass mich raten.~
Kylar blieben sechs Stunden bis zum Morgengrauen. Es würde eine geschäftige Nacht werden. Bevor er auf brach, band er zum Spaß die Seidenschnüre an den Beinkleidern der Wachposten zusammen.
19
»Es tut mir leid, Jenine«, sagte Dorian. »Es tut mir leid, dass wir nicht früher aufgebrochen sind.« Wegen des Schnees hätten sie eine Woche früher aufbrechen müssen, um es über die Pässe zu schaffen. Vor einer Woche hatte er Jenine jedoch noch nicht einmal gefunden. Es gab nichts, was er hätte anders machen können. Trotzdem.
»Ihr habt getan, was Ihr konntet. Ihr wart großartig«, erwiderte Jenine. Die Art, wie sie das sagte, mit so viel Tapferkeit und unverhohlener Bewunderung, verriet ihm, dass sie erwartete
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