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Jenseits Der Unschuld

Jenseits Der Unschuld

Titel: Jenseits Der Unschuld
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Aber er hatte keine leeren Drohungen ausgestoßen. Jake hatte sie wahr gemacht - und bis zum heutigen Tag schien er den erbitterten Kampf von Liebe und Hass gegen sie über das Grab hinaus weiterzuführen.
    Mittlerweile saß Suzanne freilich am längeren Hebel. Vor drei Jahren war Jakes Vermögensverwalter gestorben, und Suzanne war zur Treuhänderin von Sofies Vermögen ernannt worden. Jake würde sich im Grabe umdrehen, denn Suzanne war es gelungen, das Vermögen so anzulegen, dass nicht nur ihre Tochter davon profitierte, sondern auch sie selbst.
    Und nun erwartete sie Edward Delanza zu einer Unterredung, und sie war bereit, um ihre Tochter zu kämpfen.
    Seufzend sank sie in die weichen Samtpolster des Sofas zurück. Es war einfach nicht fair. Nicht Jakes Tod, nicht die Tatsache, dass sie, als alles begann, viel zu jung und verwöhnt war, um zu begreifen, welches Glück Jake und sie verband und was sie daraus hätten machen können, wenn beide sich nur Mühe gegeben hätten.
    Suzanne schloss die Augen, ihr Groll wandelte sich in Sehnsucht. Sie erinnerte sich lebhaft daran, wie vernarrt sie als Fünfzehnjährige in Jake O'Neil war. Lächelnd träumte sie sich in die Vergangenheit zurück.
    New York City, 1880
    Suzanne eilte aus dem Haus, der weite Rock ihres schwarzen Reitkostüms blähte sich, ein keckes Hütchen mit einem Halbschleier saß schräg auf ihrem hübschen Kopf. Ihr kastanienbraunes Jagdpferd wartete bereits. Suzanne ließ sich vom Stallknecht in den Sattel helfen. Ihr Inneres kribbelte in kaum bezähmbarer Erregung. Der Knecht schwang sich ebenfalls in den Sattel und folgte ihr in diskretem Abstand.
    Sie drückte der Stute die Absätze in die Flanken und jagte im Galopp davon. Sie hatte nicht die Absicht, in den Central Park zu reiten, auch nicht, ihre Freunde zu treffen, wie sie ihren Eltern weisgemacht hatte. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Hitzewellen durchflogen sie. Sie war sich deutlich des harten Sattelleders zwischen ihren Schenkeln bewusst.
    Wird er da sein? Wird er auch heute kommen, wie gestern und am Tag zuvor - wie jeden Tag, seit sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte?
    Vor einer Woche beim Ausreiten mit Freunden, jungen Damen und Herren der besten New Yorker Gesellschaft, hatte man über das neu erschlossene Wohngebiet an der West Side geplaudert, über das in den Zeitungen so viel Aufhebens gemacht wurde, eine Folge der Hochbahnstrecke, die vor einem Jahr bis zur 9. Avenue ausgebaut worden war. Suzanne und ihre Freunde waren nie über die Westseite des Central Parks hinausgekommen, und die Gruppe beschloss begeistert, den neu eröffneten Riverside Park zu erkunden.
    Auf dem Weg durch die Stadt hatte man sich lustig gemacht über die absurde Vorstellung, die West Side könne als Wohngegend in Frage kommen - schon gar nicht für die Bewohner der East Side. Sie ritten auf lehmigen, schmutzigen Wegen, vorbei an kleinen Farmen mit kümmerlichen Wiesen, auf denen magere Kühe weideten, vorbei an schäbigen Hütten. Es gab nur vereinzelte Straßenlaternen; ein ödes, trostloses Gebiet.
    An der Riverside Avenue zügelte die Gruppe die Pferde vor einem weitläufigen Rohbau, an dem etwa fünfzig Arbeiter beschäftigt waren. Maurer mischten Zement und zogen Ziegelmauern hoch, Tischler schleppten Balken und hämmerten an Dachverstrebungen. Die Freunde gestanden einstimmig und neidlos zu, dass man von diesem Punkt eine fabelhafte Aussicht über den Hudson River genoss, der unter dem felsigen Steilufer mächtig dahin rauschte.
    Suzanne hörte den Gesprächen nicht zu. Sie hatte ihre Stute abseits der Gruppe nahe an die Bautätigkeiten herangeführt und beobachtete einen Arbeiter. Er trug kein Hemd, sein Oberkörper war von der Sonne braun gebrannt, goldbraunes Haar hing ihm in wirren Locken in die Stirn. Sie sah, wie er sich bückte, seine enge Köperhose spannte sich um pralle Gesäßbacken; sie beobachtete das Spiel seiner Muskeln auf dem breiten Rücken.
    Als er sich umdrehte, ohne sie wahrzunehmen, sah sie ihn immer noch an. Er war prachtvoll gebaut, sehnig und kräftig mit ausgeprägten Muskeln. Und als sie sein Gesicht sah, stockte ihr der Atem. Er war schön wie ein griechischer Gott.
    Suzanne flirtete seit ihrem vierzehnten Lebensjahr mit gleichaltrigen Knaben und gelegentlich schon mal mit jungen Männern, die sie weit mehr interessierten. Nachts warf sie sich schlaflos im Bett herum und träumte von einem schönen, gesichtslosen Mann. Sie sehnte sich danach, ihren Körper zu erforschen,
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