Jenseits Der Unschuld
wenig Buße für seine eigenen Sünden zu tun? Sein ganzes Leben hatte er seinem Egoismus gelebt. Er war ein Genießer durch und durch. War es nicht an der Zeit, dass er sich eines anderen Menschen annahm? War es nicht an der Zeit, zur Abwechslung etwas Gutes zu tun? Nur um sich selbst zu beweisen, dass sein schlechter Ruf nicht völlig zu Recht bestand? Vielleicht könnte er auf diese Weise einige Fehltritte in seinem Leben wiedergutmachen.
Behutsam wollte er Sofie von ihren Hemmungen befreien, wollte ihr helfen, ein falsches Bild von sich selbst zu korrigieren, das von ihrer Mutter geduldet, ja vielleicht sogar für deren selbstsüchtige Zwecke gefördert und befürwortet wurde. Und wenn Sofie eines Tages erkannte, wie schön, wie unbeschwert sie war, dann könnte er zufrieden seiner Wege gehen.
Er hatte letzte Nacht kaum geschlafen. Es gab so viele Fragen, die er Sofie stellen wollte. Und jede einzelne war zu vertraulich, als dass er sie als Fremder stellen durfte.
Edward erinnerte sich mit Unbehagen daran, wie hitzig er Hilary letzte Nacht genommen hatte. Während er mit seiner Geliebten schlief, waren ihm Bilder von Sofie durch den Kopf geschossen, ausnahmslos erotische und wollüstige Bilder.
Entschlossen drängte Edward seine sündigen Gedanken beiseite. Sofie brauchte einen Freund, einen älteren Bruder, und der wollte er ihr sein. Er wollte sich zu ihrem Fürsprecher und Beschützer machen und jeden anderen Gedanken von sich weisen. Selbstbeherrschung war schließlich eine Eigenschaft, die den Menschen von Tier unterschied. Wenn er sich nicht beherrschen konnte, so war er nicht besser als sein schlechter Ruf.
Zwei Reiter bogen von der Straße in die Auffahrt ein und trabten auf das Haus zu. Edward war erleichtert, als er Hilary erkannte, auch wenn sie ihn nicht von düsteren Grübeleien ablenkte. Er hatte ihr nur eine kurze Nachricht hinterlassen, da er sich vorzog, seinen hastigen Rückzug selbst zu erklären.
Hilary glitt vom Pferd und bedachte ihn mit einem fragenden Lächeln. Der dickliche junge Anwalt war ihr Begleiter.
»Mr. Delanza! « Hilary übergab die Zügel dem herbeigeeilten Stallburschen und kam in schwungvollen Schritten auf Edward zu. »Sie wollen uns verlassen?«
»Bedauerlicherweise ja«, sagte er. »Guten Morgen, Mrs. Stewart, Mr. Marten.«
»Wie schade«, murmelte Hilary, deren Lächeln erstarb. Sie sah ihm forschend in die Augen. »Gibt es Anlass zur Sorge?«
»Keineswegs. Ich muss nur eine geschäftliche Angelegenheit regeln. «
»Vielleicht sehen wir uns am Ende der Sommersaison«, meinte sie forschend. »Sie dauert nur noch zwei Wochen.«
»Ich rechne fest damit«, antwortete Edward und ließ sie damit wissen, dass dies nicht das Ende ihrer Affäre bedeutete.
Hilary strahlte; sie hatte begriffen. »Vielleicht schon etwas früher«, lächelte sie und ließ die beiden Herren nach ein paar weiteren Höflichkeitsfloskeln allein.
Henry Marten hatte bislang geschwiegen, nun sah er ihr versonnen nach. »Sie ist sehr schön. «
»Ja, sie ist schön.«
Henry wandte sich nun errötend und mit offener Neugier an Edward. »Sie hat Sie gern.«
Edward zuckte mit den Schultern.
»Ich habe gehört ... ehm ... sie soll nicht besonders ... ehm ... « Henry war nun tiefrot geworden. »Haben Sie etwas mit ihr?« platzte er heraus.
Edward stöhnte. »Ein Gentleman genießt und schweigt«, antwortete er leichthin. »Diesen Rat sollten auch Sie beherzigen.« Edward holte ein Silberetui aus der Brusttasche seines Leinenjacketts und bot Henry einen Zigarillo an, der dankend ablehnte. »Ein weises Wort, Mr. Marten«, setzte er hinzu und dachte nicht daran, den Schnösel aufzuklären. Dann sah er die Kutsche um die Ecke biegen, und sein Herz zog sich zusammen. Der Abschied fiel ihm nicht leicht. Und dabei dachte er nicht an Hilary Stewart.
»Ich nehme an, Ihnen ist es nicht so wichtig, ob Sie ihr gefallen.«
Edward zog eine Augenbraue hoch.
»Ich meine ... Ihnen laufen so viele Frauen nach, stimmt's?« Henry räusperte sich. »Man erzählt sich sagenhafte Geschichten über Sie ... Diamanten, Frauen, Abenteuer. Sie sind ein verwegener Bursche! Das sagen alle.«
Henry war so voller Bewunderung, dass Edward ihm nicht böse sein konnte. Die Gerüchte über ihn waren mit Sicherheit alle übertrieben. Andererseits hatte Edward nichts dagegen einzuwenden, von Männern beneidet und von Frauen angehimmelt zu werden.
Henry seufzte. »Meine Cousine rät mir, Miß O'Neil zu heiraten.«
Edward fuhr
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