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Jenseits Der Unschuld

Jenseits Der Unschuld

Titel: Jenseits Der Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
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herum.
    Bedrückt fuhr Henry fort: »Ich bin nicht wie Sie, wenn Sie wissen, was ich meine. Mir läuft keine Frau nach. Für mich wäre es ein großes Glück, wenn ich mir eine Erbin angeln könnte, selbst eine mit einem kleinen Vermögen wie Miß O'Neil.«
    Edward packte die Wut. »Sie wollen Sie, wegen ihres Geldes heiraten?«
    »Heiratet im Grunde nicht jeder wegen des Geldes? Aber ich weiß nicht recht«, meinte Henry ratlos und betrachtete sinnend seine brandneuen Reitstiefel. »Ich kann mich noch nicht entschließen.«
    »Wieso nicht?«
    Henry hob den Blick. »Dieser hinkende Gang ... undsonderbar ist sie obendrein.«
    Edward verzog verächtlich die Mundwinkel. »Sie finden sie also sonderbar, wie? Und trotzdem würden Sie sie heiraten?«
    Henry zögerte. Edwards frostiger Blick sagte ihm, dass er etwas Falsches gesagt hatte. Was aber mochte das sein?
    »Sie aber würden sie heiraten, obwohl Sie Miß O'Neil sonderbar und abstoßend finden?« formulierte Edward seine Frage neu mit einem gefährlichen Unterton.
    Henry erbleichte. »Habe ich Sie gekränkt, Sir?« quiekte er.
    »Beantworten Sie meine Frage.«
    »Ich weiß nicht. Ich habe nicht unbedingt den Wunsch, einen Krüppel zu heiraten. Man hat mir gesagt sie habe ein kleines Problem, keine ernsthafte Missbildung. Na ja ... eigentlich ist sie ganz nett. Sie ist sogar hübsch, finden Sie nicht? Andererseits ist sie ein Sonderling und exzentrisch. Wussten Sie das? Aber vermutlich finde ich keine andere Frau mit Geld. Herrgott, ist das alles kompliziert!«
    Edward biss die Zähne aufeinander. »Ich verabscheue das Wort "Krüppel", Mr. Marten. Im übrigen ist sie kein Krüppel.«
    »Wie bitte?!«
    »Sie haben gehört, was ich sagte.« Edward funkelte den jungen Anwalt an. »Ein Knöchelbruch in der Kindheit, der schlecht verheilt ist - weiter nichts. Sie ist talentiert und hübsch und in jeder Hinsicht so normal wie Sie und ich und wesentlich wertvoller, wie mir scheint.«
    »Sie ... Sie mögen sie?« Henrys Augen quollen ihm aus den Höhlen.
    »Sehr sogar«, sagte Edward mit Bestimmtheit. Und leise fügte er hinzu: »Sie wird einmal eine faszinierende Frau, daran habe ich keinen Zweifel.«
    Henry Marten klappte der Unterkiefer herunter. Erst als Edward seinen Koffer aufgenommen hatte, erholte er sich wieder. »Es tut mir leid! Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Ich würde gerne Ihr Freund sein.«
    »Entschuldigen Sie sich nicht bei mir«, entgegnete Edward auf dem Weg zum Wagen; er nickte dem Kutscher zu und warf den Koffer auf die Rückbank. »Sie schulden Miß O'Neil eine Entschuldigung, Mr. Marten. Und ich hoffe, Sie sind Manns genug, es auch zu tun.«
    Er bestieg den offenen Wagen. »Und um Himmels willen, heiraten Sie sie nicht. Sie braucht Ihr Mitleid nicht -
    davon hat sie mehr als genug. Sie braucht etwas ganz anderes.«
    Henry schaute der Kutsche und Edward Delanzas Rücken im weißen Leinenjackett lange nach. Ihm war schwindlig geworden. War es möglich? War es wirklich möglich? Edward Delanza, der Herzensbrecher par excellence, der zwielichtige Diamantenschmuggler, ein moderner Pirat und eine lebende Legende, wenn man dem Klatsch glauben wollte, interessierte sich für Sofie O'Neil?

    Henry hätte schwören können, dass es so war.
    Kapitel 6
    Sofie fühlte sich nach dem Erwachen besser. Die Schwellung an ihrem Knöchel war abgeklungen, sie hinkte jetzt weniger auffällig. Trotz der Aufregungen des vergangenen Tages hatte sie schließlich doch tief und erholsam geschlafen. Statt der üblichen Hemdbluse und eines schlichten dunkelblauen Rocks wählte sie heute ein weißes, duftiges Batistkleid mit Spitzenbesatz an Ausschnitt und Saum des weiten Rockes. Als sie die Schuhe anzog, spitzte sie die Ohren, ob sie Edward aus dem Stimmengewirr heraushören konnte, das vom Rasen durch die offene Balkontür zu ihr heraufdrang. Sie würde seinen leicht rauen Bariton mit Sicherheit erkennen.
    Sie trat an die Balkontür, ohne sich hinauszuwagen. Auf dem Rasen wurde Kricket gespielt. Die Damen sahen hübsch aus in ihren pastellfarbenen Sommerkleidern, die Herren in hellen Leinenjacken, langen Hosen oder Breeches. Sofies Lächeln schwand. Edward befand sich nicht unter den Spielern.
    Sofie ließ sich auf den nächsten Stuhl fallen. Was war nur los mit ihr?! Sie benahm sich wie eine dumme, liebeskranke Gans!
    Sie spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg. Sie war nicht liebeskrank. Sie war zu vernunftbetont und ernsthaft, um liebeskrank zu sein. Morgen

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