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Jenseits Der Unschuld

Jenseits Der Unschuld

Titel: Jenseits Der Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
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Studium an der Akademie zu vernachlässigen.
    Sie wollte ein Genrebild malen, aber nicht im Stile von Millet, auch nicht wie Rousseau oder Diaz, sie wollte ein eigenständiges Werk schaffen.
    »Miß Sofie.« Die Stimme des Kutschers holte sie aus ihren Grübeleien. »Es ist halb vier.«
    Sofie seufzte. »Danke, Billings. Ich packe gleich zusammen.« Es war höchste Zeit, die mürrische Miß Ames zu begrüßen.
    An der Türschwelle des Salons blieb Sofie wie angewurzelt stehen.
    Edward Delanza stand am anderen Ende des Raums.
    Sofie sah ihn gebannt an. Dann erst bemerkte sie die Anwesenheit von Miß Ames, die auf dem Sofa vor dem Marmorkamin saß. Die schwarzen Augen der alten Jungfer flogen flink zwischen Sofie und Mr. Delanza hin und her.
    Panik stieg in Sofie auf. Was macht er hier?
    Edward kam auf sie zu und musterte ihre Erscheinung mit dreister Eindringlichkeit. »Guten Tag, Miß O'Neil. Ich war zufällig in der Gegend und dachte, ich hinterlasse meine Karte. Und als man mir sagte, Sie werden jeden Augenblick zurück sein ... «, er lächelte, und seine blauen Augen senkten sich in die ihren, »... wollte ich warten.«
    Sofie hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Sein Blick wanderte über ihre Kleidung. Sofie wusste, wie grässlich sie aussah. An jenem Abend auf der Veranda war sie wenigstens ordentlich frisiert gewesen und hatte ein festliches Kleid getragen. Sie musste auf ihn weit exzentrischer wirken als bei ihrer ersten Begegnung.
    Einzelne Strähnen hatten sich aus ihrem Nackenknoten gelöst, der völlig verrutscht war und sich jede Sekunde aufzulösen drohte. Bluse und Rock waren mit Farbe bekleckst; sie roch nach Terpentin und Leinöl. Sofie kleidete sich nachlässiger, wenn ihre Mutter in Newport war und nicht an ihr herumnörgeln konnte. Sie hatte keinen Besuch erwartet abgesehen von Miß Ames.
    »Hast du deine Zunge verschluckt, Kind?« Miß Ames stand auf. »Willst du dem netten Herrn nicht wenigstens guten Tag sagen?«
    Sofie wurde rot. »Mr. Delanza«, krächzte sie. Und dann hallten Suzannes Worte in ihr: Seine Freundlichkeit ist nur ein Vorwand für seine Absicht, dich zu verführen und deinen Ruf zu ruinieren.
    »Wo ist mein Bild?« Miß Ames' Stock schlug dumpf auf dem Parkett auf.
    Sofie fuhr zusammen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. »Miß Ames«, brachte sie mühsam hervor. »Wie geht es Ihnen?«
    »Mein Bild, Kindchen! «
    Sofie atmete tief ein, um sich zu beruhigen. Sie wagte nicht, Edward anzusehen. Er hat nur mit dir gespielt. »Es ist Der Butler brachte die große Leinwand und stellte sie ab. Sofie war plötzlich völlig unsicher. Nicht wegen Miß Ames, der es mit Sicherheit gefallen würde, sondern wegen Edward Delanza.
    Das Porträt war in handwerklich perfekter Manier ausgeführt, aber kaum aufregend. Durchschnittlich. Sofie hatte sich dazu gezwungen, es zu malen. Sie hob den Blick zu Edward, nicht zu Miß Ames, als erwarte sie seine Reaktion. Wie lächerlich! Was kümmerte es sie, was er von ihrer Malerei hielt. Doch dann fragte sie sich, was er wohl von ihrem Genrebild von den zwei Frauen im Arbeiterviertel halten würde.
    Was scherte sie seine Meinung? Er hatte kein Recht, in ihrem Haus zu sein. Wieso war er gekommen? Um mit ihr zu spielen? Um sie zu verführen? Hatte er Hilary bereits satt? Hielt er sie für leichte Beute? Wieso war er gekommen?
    »Sieht mir ähnlich«, brummte Miß Ames, die ihr Konterfei finster musterte. »Ein bisschen zu lebensnah. Hättest mir ruhig ein bisschen schmeicheln können, Kindchen.«
    Sofie antwortete nicht. Edward betrachtete das Porträt mit gefurchter Stirn, dann drehte er den Kopf und sah Sofie prüfend an. »Sie sind sehr begabt, Miß O'Neil.«
    Sofie biss sich auf die Lippe. »Danke, Mr. Delanza«, entgegnete sie dann steif.
    »Sie sagten, dass Sie der Malerei verfallen sind«, fuhr Edward mit leicht verwundertem Unterton fort. Sein Blick wanderte wieder zu dem Porträt zurück. »Sie haben Miß Ames sehr lebensnah getroffen. «
    Sofie wusste, dass in diesem Bild keine Leidenschaft steckte. Sah er es auch? War sein Kommentar eine versteckte Kritik? »Die Fotografie kann das mittlerweile viel besser«, bemerkte Sofie ein wenig pikiert.
    Edward zog die Brauen hoch.
    »Na, na, der Herr hat dir ein Kompliment gemacht, mein Kind«, brummte Miß Ames. »Du hast Talent, daran gibt es keinen Zweifel. Jenson, seien Sie so nett und bringen Sie das Bild in meine Kutsche.« Sie sah Edward an. »Sie fahren wohl auch eines dieser stinkenden,

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