Jenseits Der Unschuld
lärmenden Automobile. Grässlich. Pferd und Wagen waren für meine Eltern gut genug und sind es auch für mich.«
Edward schenkte der alten Dame ein freundliches Lächeln. »Im November habe ich in London einen Automobilsalon besucht. Seitdem bin ich süchtig.«
»Pah«, meinte Miß Ames verächtlich. Dann blinzelte sie ihm zu. »Laden Sie die Kleine zu einer Spazierfahrt ein.
Die jungen Dinger scheinen ganz verrückt nach diesen Ungetümen zu sein.«
Sofies Puls raste, als sie Miß Ames zur Tür brachte. Was dachte die alte Dame sich eigentlich dabei? Trotzdem stahl sich ein ungebetenes Bild in ihre Gedanken. Sie saß in einem schwarz lackierten, eleganten Automobil neben Edward mit Ledermütze und Schutzbrille. Sofie war noch nie in einem Automobil gefahren. Die Vorstellung, mit Edward Delanza im Automobil dahin zu brausen, war romantischer Unsinn, den sie schleunigst von sich schob.
Auf dem Weg zum Salon hatte Sofies Puls sich immer noch nicht beruhigt. Edward war auf den Flur getreten und stand vor einem Bild, das sie vor ein paar Jahren gemalt hatte. Er drehte sich zu ihr um. »Das ist auch von Ihnen.«
Es war ein Kinderporträt von Lisa. Sofie hatte es aus dem Gedächtnis und nach einer Fotografie gemalt. »Sind Sie Kunstkenner, Mr. Delanza?«
»Wohl kaum«, lächelte er.
»Zumindest haben Sie ein gutes Auge.« Sofie strich sich über den Rock, als wolle sie die Farbkleckse wegwischen.
Dabei wischte sie über einen noch nicht getrockneten roten Farbfleck und verschmierte sich zu allem Überfluss auch noch die Hand. »Ich fürchte, ich sehe schrecklich aus.«
Schelmische Funken tanzten in seinen Augen. »Nicht wirklich, Miß O'Neil.«
Seine Worte weckten Fantasien in ihr, die sie ausgelöscht zu haben glaubte. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Weshalb sind Sie hier?« fragte sie schroff.
»Warum wohl, Sofie?« entgegnete er leise.
Eine Hitzewelle durchströmte sie. Er war ein Schurke, ein verantwortungsloser Schürzenjäger. Wollte er sie verführen? Warum nur?
Aus welchem anderen Grund nannte er sie beim Vornamen und noch dazu in diesem einschmeichelnden Tonfall?
Sofie straffte die Schultern. Sie war schon einmal beinahe auf sein gutes Aussehen und seinen Charme hereingefallen. Diesmal würde sie nicht so töricht sein. Was er auch sagte, sie würde vernünftig bleiben und kühlen Kopf bewahren. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, Mr. Delanza«, hörte sie sich sagen.
»Weil ich Sie besuchen will, ganz einfach.« Seine Grübchen vertieften sich, die Zähne blitzten. Seine blauen Augen senkten sich in ihre.
Ihre Standhaftigkeit geriet ins Wanken. Dieser Mann zog sie unwiderstehlich in seinen Bann. »Mr. Delanza, ich verstehe nicht«, sagte sie steif. »Wieso wollen Sie mich besuchen?«
»Fragen Sie andere Herren auch nach dem Grund ihres Besuches?«
Sie errötete verlegen. »Ich habe Ihnen schon einmal gesagt; es gibt keine Herren, die mich besuchen. «
Sein Lächeln schwand. »Heißt das, Sie empfangen keine Besucher?«
Sofie hob das Kinn. »Jedenfalls keine Herren, nein.«
Er sah sie ungläubig an. Dann erschienen seine Wangengrübchen wieder. »Jetzt schon - mich.«
Sofie zwang sich zur Ruhe und wählte ihre Worte mit Bedacht. »Sie sind ein Mann von Welt ... «, begann sie mit dem Vorsatz, sich über seine Absichten klarzuwerden; sie war entschlossen, dieser Farce ein Ende zu bereiten.
Seine linke Braue zog sich fragend hoch.
»Wie Sie sehen, bin ich eine leidenschaftliche, wenn auch exzentrische Künstlerin und ... « Sie konnte es nicht aussprechen. Sie brachte den wahren Grund, warum er sie nicht interessant finden konnte, nicht über die Lippen.
Seine Augen hatten sich verdunkelt. »Und was?«
»Aus welchem Grund besuchen Sie mich?« platzte sie heraus und geriet in Rage.
Er stad beinahe drohend vor ihr. »Sie sind also exzentrisch, wie? Seltsam, ich finde Sie gar nicht exzentrisch.
Originell, talentiert, interessant, ja. Exzentrisch? Nein. Wer behauptet das? Sie oder Ihre Mutter?«
Sofie schnappte hörbar nach Luft.
Er trat näher. Sofie wich zurück. »Haben Sie nicht etwas vergessen?« Sofie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
Sie stand nun mit dem Rücken an der Wand. Sie zitterte vor Angst. Was tue ich bloß, wenn er die Situation ausnutzt und mich küsst? schoss es ihr durch den Kopf.
Edwards Augen funkelten nun zornig. Mich kümmert es herzlich wenig, dass Sie einen kaputten Knöchel haben, Sofie.«
Sofie glaubte ihm kein Wort. »Dann sind Sie
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