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Jenseits Der Unschuld

Jenseits Der Unschuld

Titel: Jenseits Der Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
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fragte er unvermittelt.
    Plötzlich war sie wieder ernüchtert. »Nein. Es würde ihr nicht gefallen. Sie würde es nicht verstehen.«
    »Ja, da haben Sie recht«, erwiderte er. »Zum Teufel mit ihr.«
    Sofie biss sich auf die Unterlippe. Er ging zu weit.
    Und dann begriff Edward plötzlich. »Sie sind ohne die Erlaubnis Ihrer Mutter hier, hab' ich recht?«
    Sofie zögerte nicht. »Selbstverständlich.« Sie suchte seine Augen. »Werden Sie mich verraten?«
    »Nein.«
    Sie atmete erleichtert auf. »Das freut mich«, sagte sie leise.
    Er hob ruckartig den Kopf. Seine blauen Augen blitzten schalkhaft. »Gut. Und Sie sind mir etwas schuldig. «
    Sofie erschrak. Gütiger Himmel, jetzt würde es passieren! Edward trat nahe an sie heran. Er hob ihr Kinn mit zwei Fingern. Sie fürchtete, in Ohnmacht zu sinken. Er würde sie küssen, jetzt, in aller Öffentlichkeit, auf der Straße, mitten am Tage. Würde er sie mit der gleichen Leidenschaft küssen, wie er Hilary geküsst hatte?
    Und dann wusste Sofie, dass sie ihn missverstanden hatte.
    Er küsste sie nicht. Er hatte nicht die Absicht, sie zu verführen, nicht jetzt, nicht hier. Er umfasste nur sanft ihr Kinn und sagte leise, aber bestimmt: »Ich will alle Ihre Bilder sehen, Sofie. Darf ich?«
    Kapitel 9
    Sofie führte Edward schweigend durchs Haus. Sie hielt die Schultern gerade, den Kopf hoch erhoben. Dennoch spürte er ihre Beklommenheit.
    Da er befürchtete, mit beruhigenden Worten das Gegenteil zu bewirken und sie womöglich dazu zu veranlassen, ihre Zustimmung rückgängig zu machen, zog er es vor zu schweigen. Er beschleunigte seine Schritte und ging neben ihr her, um einen flüchtigen Seitenblick in ihr angespanntes Gesicht zu werfen.
    Am Ende des langen Korridors blieb sie stehen und öffnete die Tür, ohne hineinzugehen. Sie sah ihn an. Edward lächelte aufmunternd.
    »Treten Sie ein«, sagte sie mit finsterer Miene. »Wenn Ihnen der Sinn immer noch danach steht. «
    Edward betrat einen großen, hellen Raum. Zwei hohe, Fenster beherrschten die Nordseite. In der Mitte führte ein offener Durchgang in einen Nebenraum. An den Wänden lehnten mehrere bemalte Leinwände.
    Edward trat näher. Sein Blick wanderte über die Bilder und blieb an einem Porträt von Lisa hängen. Sie trug ein bodenlanges Ballkleid aus elfenbeinfarbenem Tüll. Das Bild war in romantischen, lichtdurchfluteten Pastelltönen gehalten. Der Rock war eine duftige Wolke aus Organdy und Tüll, ähnlich den zarten Gebilden, wie Balletttänzerinnen sie trugen. Die Künstlerin hatte die durchsichtige Fülle so lebensecht wiedergegeben, dass Edward meinte, die Tüllwolke würde sich über die Leinwand bauschen.
    Dann blieb er vor einem Stillleben leuchtend roter und purpurfarbener Blumen stehen. Das Blumenbild unterschied sich von Lisas Porträt wie die Nacht vom Tage. Diesmal hatte Sofie eine dramatische, herbe Farbgebung mit dunklem Hintergrund gewählt. Die Pinselführung war wild, ekstatisch, kühn. Edward war beeindruckt. Diesen Arbeiten fehlte die tragische Qualität, die das Gemälde der Arbeiterfrauen auszeichnete. Dennoch waren sie mit Leidenschaft gemalt und strahlten große Kraft aus. All diese Bilder hatten nichts mit gefälliger Salonmalerei zu tun. Ihre Wirkung war von eindringlicher Expressivität, packender als alles, was sie in altmeisterlicher Präzision hätte ausführen können; eine Technik, die sie gleichfalls beherrschte.
    Edward hatte von der ersten Sekunde an gespürt, dass sich hinter der verschlossenen Fassade dieses seltsamen Mädchens sehr viel mehr verbarg. Nun war auch der letzte Zweifel an ihrer genialen Begabung gewichen. Sofie war eine brillante, kühne, ungewöhnlich originelle, eigenständige Künstlerin von ungeahnter Energie und Leidenschaft. Sie durfte sich ihrer Kunst und ihrer Person nicht länger schämen und sie vor der Welt verbergen.
    Edward war sich seines Urteils sicher wie nie zuvor.
    Er sah sie nachdenklich an. Welche Geheimnisse schlummerten noch hinter dieser Fassade bürgerlicher Wohlanständigkeit? An dieser Frau, das sah er nun in aller Deutlichkeit, war nichts Mittelmäßiges, nichts Alltägliches. Sein Puls beschleunigte sich bei dem faszinierenden Gedanken, ob sie im Schlafzimmer ähnlich leidenschaftlich und mitreißend war wie in ihrer Malerei.
    »Woran denken Sie?« flüsterte Sofie, deren Wangen sich rosig überzogen hatten.
    »Sie versetzen mich in Erstaunen, Sofie.« Er konnte den Blick nicht von ihr wenden.
    Sie wirkte sehr angespannt. Ihr

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