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Jenseits Der Unschuld

Jenseits Der Unschuld

Titel: Jenseits Der Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
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dass Sie hierherkommen, um zu malen.«
    Sofie hielt den Atem an, nicht so sehr wegen seines offenkundigen Zorns. Er war gekleidet wie an jenem Tag am Strand - wie sie ihn letzte Nacht gemalt hatte - in einem hellen, zerknitterten Leinenjackett und einer etwas dunkleren, ebenso zerknitterten Leinenhose. Seine Krawatte saß schief, sein dichtes, schwarzes Haar war vom Fahrtwind zerzaust. Er sah so männlich aus, dass sie ihn nicht ansehen konnte, ohne ein dunkles, verbotenes Sehnen in sich zu spüren.
    Neben sich hörte Sofie Mrs. Guttenberg krächzen. »Wer isn' das?«
    Edward krümmte den Zeigefinger.»Kommen Sie, Sofie.«
    Sein Zorn machte ihn unwiderstehlich aufregend. Sofie stand auf wie eine Marionette und ging mit steifen Beinen auf ihn zu. Ihr Herzschlag dröhnte.
    Sie blieb vor ihm stehen. »Was tun Sie denn hier?«
    »Sollte nicht ich diese Frage stellen?«
    Erst jetzt wurde Sofie bewusst, dass sie ertappt worden war. »Ich male hier«, sagte sie und erwartete das Schlimmste. Edward würde Suzanne von ihrem Ungehorsam erzählen, und Suzanne würde außer sich sein vor Zorn. »Wie haben Sie mich gefunden?«
    »Es gibt tausend Plätze in dieser Stadt, wo Sie malen können«, entgegnete Edward, ohne auf ihre Frage einzugehen. Seine blauen Augen funkelten. »Wieso muss es ausgerechnet hier sein?«
    Sofie drückte den Rücken durch. »Was gibt es an diesem Ort auszusetzen?« Unterdessen hatte sich eine neugierige Menge um das Automobil geschart. Nachbarn, Händler und Passanten bestaunten das moderne Gefährt. Aufgeregte Buben sperrten Mund und Augen auf und hüpften um den Packard herum.
    »Das ist eine Arbeitergegend, Sofie«, sagte Edward streng. »Und das wissen Sie genau.«
    »Natürlich weiß ich das. Deshalb bin ich hier.« Sie lächelte spöttisch. »Ich glaube nicht, dass dies Ihre Angelegenheit ist, Mr. Delanza.«
    Er wirkte verdutzt. Sofie wunderte sich selbst über ihre Keckheit. Sie hatte noch nie mit einem Mann gestritten schon gar nicht mit einem so teuflisch gutaussehenden Mann.
    »Ich habe Sie zu meiner Angelegenheit gemacht, meine Liebe«, antwortete er.
    Sofie konnte den Blick nicht von ihm wenden. Seine Worte, seine dunkle Stimme, seine blauen Augen zogen sie in seinen Bann. Plötzlich wusste sie, dass Suzanne recht hatte. Er wollte sie zu seiner Geliebten machten. Er wollte sie verführen.
    Sofie fand keine Worte. Schweigend sah sie ihn an.
    Schließlich seufzte Edward resigniert. Sein Blick wanderte zur Leinwand hinüber, die mit der Rückseite zu ihnen auf der Staffelei stand. Er ging darauf zu.
    Sofie spannte jeden Muskel, als er die Staffelei umrundete, um das Bild zu betrachten. Sie verschränkte krampfhaft die Hände, das Herz schlug ihr bis in den Hals. Gleichgültig, was sie sich auch einreden mochte, es bedeutete ihr nicht nur viel, was er über sie dachte, sondern was er von ihrer Arbeit hielt. Sofie hatte plötzlich Angst, dass er in Gelächter ausbrechen und ihr sagen würde, sie sei ein verrückter Krüppel.
    Er stand vor der Leinwand und hob den Blick zu ihr. »Das unterscheidet sich sehr von Miß Ames' Porträt.«
    »Ja.«
    Er studierte das Bild eingehend.
    Sofie hob die verschränkten Hände an ihr klopfendes Herz. »Ge... gefällt es Ihnen?«
    Er hob den Blick. »Ja. Es gefällt mir sehr.« Er schien verblüfft, beinahe verwirrt. Zwei senkrechte Falten hatten sich zwischen seinen Augenbrauen gebildet.
    »Was ist?« fragte sie und konnte nicht glauben, dass es ihm wirklich gefiel.
    »Ich habe Sie unterschätzt«, sagte er.
    Sofie wusste nicht, ob seine Worte als Kompliment oder als Kritik gemeint waren.
    Er trat wieder auf sie zu. »Gestern hielt ich Ihre Arbeit für talentiert. Aber es hat mir etwas darin gefehlt.«
    Sofie sah ihn gebannt an.
    »Jetzt weiß ich genau, was fehlte.« Sein Blick flackerte, er wies mit dem Finger auf die Leinwand. »In diesem Bild ist es.«
    »Was denn?« flüsterte Sofie.
    »Kraft. Leidenschaft. Dieses Bild ist voller Vitalität, Sofie. Ich sehe die beiden Frauen auf dem Vorplatz sitzen, und mir kommen die Tränen.«
    Sofie war sprachlos.
    »Sagen Sie bloß nie wieder, Sie seien exzentrisch«, fuhr er beinahe schroff fort. »Das stimmt nicht. Sie sind außergewöhnlich.«
    Sofie drohte das Herz zu zerspringen. »Unsinn. Sie übertreiben«, hauchte sie. Ihr war mit einem Mal, als gehöre ihr Leben einer anderen Person; als wäre das alles ein wunderschöner Traum.

    Er warf ihr einen warnenden Blick zu. »Weiß Ihre Mutter, dass Sie so arbeiten?«

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