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Jenseits der Untiefen

Jenseits der Untiefen

Titel: Jenseits der Untiefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Favel Parrett
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Himmels war ein riesiger Makohai aufgetaucht, sein Maul schloss sich um den Lachs, der an Dads Angel hing. Miles versuchte aufzustehen, aber Jeff stürzte an ihm vorbei, rammte ihn so, dass er mit dem Gesicht auf das nasse Deck fiel. Das Boot bebte, es kippte, und Miles rutschte über den Boden, bis er hart gegen die Reling knallte. Wasser strömte herein, strömte herein oder strömte über das Boot hinweg, und als Miles aufsah, war das Meer direkt vor ihm, direkt an seinem Gesicht. Er hing fest, die rechte Körperhälfte war taub. Er bewegte langsam den Kopf, und die dicke, stahlblaue Haut des Hais berührte seinen Arm, seine Haut. In wilden Zuckungen quetschte er Miles ein. Der Hai war direkt auf ihm.
    Er spürte einen Griff an seinem Bein. Es war Martin, der fest an ihm zog, so fest, dass es wehtat. Miles’ Rippen fühlten sich an, als würden sie eingedrückt, als würden sie nachgeben, und es knackte scheußlich. Miles wartete auf den Schmerz. Er wartete darauf, dass die Luft aus seiner Lunge gesogen wurde, aber jemand anders schrie. Jemand anders hatte sich etwas gebrochen.
    Der Schwanz des Hais hatte Martin am Bein getroffen, und er war zu Boden gegangen. Er war auf Miles gefallen, der jetzt nicht einmal mehr den Kopf bewegen konnte.
    Er sah nur, wie das Tier neben ihm kämpfte. Der Hai versuchte sich ruckweise in die Richtung zu werfen, aus der er gekommen war, Zentimeter für Zentimeter. Miles konnte die gebogenen Zähne erkennen, die in alle Richtungen aus seinem Maul ragten, Zähne, die gegen seine Haut stießen. Das Auge des Hais war auf ihn gerichtet, es sah kräftig aus und stolz. Das Auge eines Helden – ein Wolf des Meeres.
    »Wir kentern!«
    Das war Dad, der von der anderen Seite des Bootes schrie. Das Boot musste sich in einem verrückten Winkel aufgerichtet haben, denn es sah so aus, als würde er von der Reling herunterhängen.
    Sie kenterten, sie kippten um.
    Sie würden untergehen.
    Ein Knall zerriss die Luft, eine Explosion, die sein Gehör sprengte. Der Hai begann, stärker um sich zu schlagen, und Miles bekam kaum noch Luft.
    »Nein!«, brüllte Martin. Er versuchte, seinen Körper höher auf Miles hinaufzuziehen und ihn zu schützen. »Nicht schie…«
    Ein zweiter Knall, jemand lachte. Jeff lachte.
    Miles konnte eine Schusswunde erkennen, Blut sickerte aus dem Kopf des Mako. Der Hai bebte und zuckte, mit jeder Bewegung kam das Wasser näher, und auch Jeff war jetzt näher, er stand direkt über Miles, seltsam schräg. Er lachte immer noch, als die Zähne des Hais mit einem Knirschen über seine Schienbeine schabten und ihm die Haut aufrissen. Da gab er ein zischendes Geräusch von sich, entsicherte das Gewehr und schoss erneut.
    Miles schloss die Augen. Er war sicher, dass die Kugel in seinem Kopf landen würde, er war sicher, dass er jetzt starb.
    Und er bewegte sich nicht.
    Aber er spürte, dass das Boot sich bewegte, es bewegte sich von selbst. Er spürte, wie das Gewicht, das ihn erdrückt hatte, verschwand. Jemand zerrte ihn hoch. Dad. Er sagte etwas. Es sah aus wie »Alles in Ordnung mit dir?« oder »Alles in Ordnung mit dir!«, aber Miles konnte die Worte nicht hören. Seine Ohren waren zu, erfüllt von einem Dröhnen.
    Er stand da und sah, wie Dad herumkroch, um die Trümmer zu retten, die es vom Boot geschleudert hatte. Die Abalone und die Lachse waren weg, Werkzeug und Ausrüstung ebenfalls. Fast das ganze Deck war leer, bis auf den drei Meter langen Mako, der den gesamten mittleren Teil des Bootes bedeckte. Miles sah auf seine Arme, auf seinen Körper. Der Hai hatte ihn nicht verletzt – nicht mal ein Kratzer.
     
    Das Tier lag auf der Seite, seine blaue Haut wurde bereits grau, und Miles wurde übel, als er sah, wie Jeff leichthändig durch den weißen Unterbauch schnitt. Magen und Gedärme glitten blutbeschmiert aufs Deck.
    Es war ein Weibchen. Sie war schwanger.
    Jeff hackte in ihren gefüllten Unterleib, und drei Jungfische schwappten heraus; zwei tot und halb aufgefressen, der dritte versuchte, im Blut seiner Mutter über den harten Boden des Decks zu schwimmen, die winzigen Kiemen aufgebläht, die schwarzen Augen umherirrend. Jeff beugte sich vor und stach ihm in den Kopf, er grinste, als der Fischkörper sich an dem langen Messer wand, immer noch kämpfend. Er warf ihn nach Miles und lachte, während er sich Blut vom Gesicht wischte.
    Miles fing das Fischbaby auf. Es war tot, die schwarzen Augen starr.
    Es war schon voll ausgebildet und mehr als einen halben Meter

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