Jenseits der Untiefen
gewesen sein.«
Miles putzte sich die Nase. Er schloss die Augen.
»Kann mich nicht erinnern«, sagte er.
Als er die Augen wieder öffnete, sah er noch einmal zum Baum. Die Verletzung war noch sichtbar, ein Riss, wo die Rinde nicht mehr nachwuchs. Und es war erstaunlich, dass der Baum überhaupt überlebt hatte. Sie waren so heftig dagegengeprallt.
Nachdem sie in die Einfahrt eingebogen waren, öffnete Miles die Beifahrertür. Er wollte aussteigen, aber Mr Roberts legte ihm eine Hand auf die Schulter, hielt ihn zurück.
»Bleib hier bloß nicht hängen, mit deinem Dad«, sagte er. »Lass ihn dich nicht … du bist zu jung für die Arbeit da draußen, Miles. Es ist nicht in Ordnung.«
Miles spürte, wie die Worte in ihn einsanken.
»Du hast es schon schwer genug gehabt«, sagte er.
Und ließ Miles gehen.
D as Kakaopulver musste eine Ewigkeit reichen. Einen Monat. Aber Miles sah schlecht aus. Er sah müde aus, er hustete immer noch die ganze Zeit, und obwohl Milch nicht gut war bei Erkältung, jedenfalls sagte Tante Jean das, gab es nichts anderes. Harry wollte Miles den besten heißen Kakao machen, den er je gehabt hatte. Es war noch früh, und sie konnten sich die Zeichentrickfilme im Nachmittagsprogramm anschauen und Feuer machen.
Er schaufelte vier Esslöffel Kakaopulver in Miles’ Tasse, und die Milch wurde dunkelbraun. Er streute noch mehr von dem Pulver obendrauf, nur ein bisschen, und es sah gut aus. Es roch gut. Aber als er die Tasse hinüberbrachte, hatte Miles die Augen geschlossen. Er war schon eingeschlafen, den Kopf an der Sofalehne.
Harry setzte sich neben ihn, mit dem Kakao in den Händen.
»Miles«, sagte er leise. »Miles?«
Aber Miles wachte nicht auf.
D as Haus von Tante Jean war von innen und von außen weiß, und sie mussten ihre Stiefel vor der Tür ausziehen. Manchmal ließ Tante Jean sie auch die Socken ausziehen, weil sie feucht sein und Spuren auf dem dicken neuen Teppich hinterlassen könnten. Sie bot ihnen immer saubere Socken an, doch die würde Miles nie anrühren. Der Teppich fühlte sich jedenfalls gut an unter seinen nackten Füßen, federnd und weich, aber es dauerte immer ewig, bis der Samstagnachmittagsbraten endlich fertig war.
Diesmal war es irgendein dunkles Fleisch. Rind vielleicht, und es schmeckte gut. Die Soße war salzig und tränkte die Bratkartoffeln. Miles aß schnell. Falls sie bald von hier loskämen, würde noch Zeit zum Surfen bleiben, wenn Joe sie abholen kam. Aber als er fertig war, sah er, dass Harry seine Portion kaum angerührt hatte. Harry mochte Fleisch nicht besonders. Er hatte nur die Kartoffeln gegessen. Es machte Miles verrückt, wie er die Fleischstücke und die Möhren auf dem Teller herumschob und Soßenringe am Tellerrand hinterließ.
»Versuch, ein bisschen was von dem Fleisch zu essen, Harry«, sagte Tante Jean.
Harry sah Miles an, und Miles starrte zurück. Unter dem Tisch trat er gegen Harrys Bein, aber das half nicht. Harry wollte nichts mehr essen.
Tante Jean legte Messer und Gabel auf ihren Teller, und endlich durften sie aufstehen und das Geschirr in die Küche bringen.
Die Uhr über dem Herd zeigte 13 Uhr 55 .
Miles ließ Wasser in die Spüle und fing an abzuwaschen. Er drückte ordentlich Spülmittel aus der Flasche, sodass das Wasser schleimig und voller Schaum war. Und er spülte wie verrückt, reihte das Geschirr geschickt im Abtropfkorb auf, bis er voll war.
Tante Jean kam in die Küche und setzte Wasser auf. Sie nahm drei Teetassen aus dem Schrank und stellte sie auf den Küchentisch.
»Ich will keinen Tee«, sagte Miles, nahm das Abtrockentuch und fing an, die Teller abzutrocknen.
Tante Jean rümpfte die Nase. »Ich schon«, sagte sie.
»Ich auch«, rief Harry aus dem Esszimmer.
Miles wusste, dass er nur die Kekse haben wollte, die es zum Tee gab.
»Und danach schneide ich euch die Haare«, sagte Tante Jean. »Ihr habt es beide nötig.«
Und dann lächelte sie.
Sie saßen fest.
Miles sah zu, wie Harry sich auf dem Küchenstuhl wand, als Tante Jean mit dem Kamm seine Haare entwirrte.
Jedes Mal, wenn er versuchte, den Kopf zu bewegen, nahm sie sein Gesicht in die Hände und hielt ihn fest.
»So ist das, wenn man Locken hat, junger Mann«, sagte sie.
Sie hatte überhaupt nichts von Mum. Es war schwer zu glauben, dass sie Schwestern waren, weil Tante Jean wie eine alte Frau wirkte.
Sie zog sich an wie eine alte Frau, sie roch wie eine alte Frau, und sie hatte Arthritis wie eine alte Frau.
Und er
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