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Jenseits der Untiefen

Jenseits der Untiefen

Titel: Jenseits der Untiefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Favel Parrett
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Lastwagens. Er spürte die wenigen Zentimeter zwischen ihnen.
    Und dann sah Miles im Scheinwerferlicht des Lieferwagens, was los war. Er sah den Bullen, den der Lastwagen vor sich herschob, sein massiger Körper verdeckte die Scheinwerfer. Ein gewaltiges Tier. Sogar eines seiner Hörner konnte Miles erkennen.
    Der Lastwagen musste ihn auf der Straße angefahren haben – in dem Moment, als die Lichter verschwanden, hatte er ihn gerammt. Und Miles begriff nicht, warum der Lastwagen nicht auch sie angefahren hatte.
    Er schaute Dad an, der noch immer nach vorn starrte. Dann drehte er sich um und sah, wie die roten Rückleuchten des Lastwagens in die Nacht hinein davonflogen.
    Der Lastwagen hatte nicht einmal versucht zu bremsen.
    Dad auch nicht.

A uf dem schmalen Pfad durch die Büsche lief Jake mal vor, mal hinter Harry her. Der Boden war nass vom Flusswasser und vom Regen. Harry war diesem Pfad noch nie so weit flussaufwärts gefolgt. Niemand schien je hierherzukommen, aber George kannte sich offenbar aus. Das Land machte den Anschein, als wäre es vor langer Zeit gerodet worden. Wenn der Wald einmal abgeholzt war und die Bäume nachwuchsen, sah es nie so aus, wie es sollte. Immer fehlte etwas. Es gab kein Moos, keine Farne und keine dunklen Hartholzbäume, nur vereinzelt Eukalyptus, Gras und Sträucher.
    Sie stiegen einen kleinen Hügel hinauf, und von oben konnte Harry die hohen blauen Berge in der Ferne sehen. Es war ein Meer blauer Wälder, das sich endlos ausdehnte. Nur die Landschaft unten im Tal war übersichtlich. Es gab Pferdekoppeln, alte Baumstümpfe, alte Schuppen. Und als sie näher kamen, erkannte Harry die geschwärzten Grundmauern eines Gebäudes. Es war ein Haus. Der Schornstein aus Ziegeln stand noch, sah aber an einer Seite, wo Ziegel herausgebrochen waren, etwas lädiert aus.
    George stellte seinen Rucksack ab, nahm ein paar Leinenbeutel heraus und gab einen davon Harry. Und Harry roch die Äpfel, sie waren süß, rot und wie aufgepustet, sie platzten fast vor Reife. Er brauchte nicht lange, um seinen Beutel zu füllen, obwohl er nur die unteren Äste erreichte. Der alte Obstgarten wucherte nur so, und die Äste hingen schwer von Früchten. Verfaulendes Obst bedeckte dick den Boden. Hier waren wahrscheinlich Schlangen, denn es gab Ratten – Harry hatte vorhin ein Rascheln gehört, und Jake bellte und raste wie verrückt herum. Er jagte die Ratten und biss in heruntergefallene Äpfel. Einen davon nahm er in seine Schnauze und brachte ihn herüber. Der Apfel war schleimig und halb verfault, aber Harry nahm ihn trotzdem. Er warf ihn, so weit er konnte, und Jake setzte ihm nach.
    »Ist das dein Zuhause?«, fragte Harry unvermittelt und sah zu George auf.
    George setzte seinen vollen Beutel auf dem Boden ab. Er sah Harry an. »Ja«, sagte er.
    »Wo du groß geworden bist?«
    George nickte. Dann hob er den Beutel wieder an.
    Es war Zeit fürs Mittagessen.
     
    Harry hatte seinen Pullover während des Pflückens ausgezogen und die Wintersonne auf den nackten Armen genossen, aber jetzt, als er sich hingesetzt hatte, wurde ihm wieder kalt. George machte ein Feuer und goss etwas Wasser aus seiner Flasche in einen Blechkessel. Er nahm Brot aus dem Rucksack und schnitt ein paar dicke Scheiben ab, wobei er einen Felsen als Schneidebrett benutzte. Jake, der etwas entfernt gelegen hatte, näherte sich dem Futter. Es gab Butter und geräucherten Fisch, der klebrig aussah. Er glänzte wie lackiert. Harry mochte keinen Räucherfisch, aber er sagte nichts. Er wollte nicht unhöflich sein.
    Er sah zu, wie George Butter aufs Brot schmierte und es mit einer dicken Scheibe Fisch belegte. Dann nahm George einen Apfel aus seiner Tasche, schnitt einige dünnen Scheiben ab und legte sie oben auf den Fisch. Harry nahm das Brot in die Hand. Es roch fischig, aber er hatte solchen Hunger, dass er die Augen schloss und hineinbiss. Salzig war es, aber auch süß; mit den Äpfeln und der Butter schmeckte es gut.
    Das Wasser im Kessel fing an zu kochen. George tat etwas losen Tee hinein und holte den Kessel mit einem Stock vom Feuer. Als sich der Metallgriff etwas abgekühlt hatte, nahm er ihn in die Hand und schwenkte den Kessel mit schnellen, exakten Bewegungen hin und her. Er goss den Schwarztee in zwei weiße, angeschlagene Blechbecher, und die Teeblätter blieben im Kessel zurück. Kein einziges war in den Bechern gelandet.
    Sie hatten keine Milch, aber das machte Harry nichts aus. Der warme Becher in den Händen und das

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