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Jenseits der Zeit

Jenseits der Zeit

Titel: Jenseits der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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immer auszuführen. Sie hatten sich den alten Mann kurz vor Sonnenuntergang gegriffen, als er gerade dabei war, den Tempel zu betreten. Ras hörte von einem anderen Akolythen darüber, biß aber die Zähne zusammen und blieb bei seiner Pflicht. Sie mußte erfüllt werden. Sein Vater hätte nicht gewollt, daß der normale Tempelbetrieb unterbrochen würde.
    Mühsam rollte Duyair die alte Atomkanone auf ihrem kleinen Fahrgestell auf der Tempelmauer entlang und richtete sie dann in den sternenübersäten Himmel. Diese antike Waffe wirkte auf der Brüstung des Tempels der Sonnen recht bedrohlich, aber niemand auf Aldryne – Ras schon gar nicht – nahm die Kanone zu ernst. Sie hatte nur einen symbolischen Wert. Seit zwölfhundert Jahren war sie nicht mehr abgefeuert worden.
    Das Ritual schrieb vor, daß sie jede Nacht gen Himmel gerichtet werden mußte. Als das getan war, wandte Ras sich an die abwartend dastehenden Akolythen des Tempels, die ihm gefolgt waren. »Ist mein Vater schon zurück?« fragte er.
    Ein Akolythe in vorschriftsmäßigem Grün sagte: »Noch nicht. Er wird immer noch verhört.«
    Ras schlug ungehalten mit einer Hand auf den Lauf der riesigen Kanone, sah hinauf zum Firmament und zu den Sternen, die nachts über Aldryne standen. »Sie werden ihn töten«, murmelte er. »Er wird eher sterben, als das Geheimnis des Hammers preiszugeben. Und dann werden sie mich holen.«
    Und dabei kenne ich das Geheimnis gar nicht! fügte er in Gedanken hinzu. Das war ja das Ironische an der ganzen Angelegenheit. Der Hammer war ein Mythos aus dem Legendenschatz des Altertums; ganz plötzlich wollte das Imperium ihn haben.
    Er zuckte die Schultern. Wahrscheinlich würde das Imperium in ein paar Tagen die ganze Angelegenheit vergessen.
    Ras Duyair hockte sich in den Bedienungssessel der Kanone. »Dort oben sind zehn Großkampfschiffe der Imperiumsflotte. Seht ihr sie? Sie kommen aus dem Sternenhaufen. Jetzt mal aufgepaßt!« Er ließ seine Finger über die toten Kontrollen spielen. »Bumm! Bumm! Eine Million Megawatt bei jedem Schuß! Seht, wie die Schiffe zerplatzen! Seht, wie die Kanone ihre Schutzschirme zerfetzt!«
    Hinter ihm erklang eine trockene Stimme. »Dies ist nicht die Zeit für Spielchen, Ras Duyair. Wir sollten um deinen Vater beten.«
    Duyair fuhr herum. Dort stand Lugaur Holsp, zweiter Mann nach seinem Vater in der Tempel-Hierarchie – und, ohne seine Halbstiefel, mit einer Größe von einem Meter achtzig der Zweitgrößte nach Ras Duyair mit einem Meter fünfundachtzig unter allen Männern im Tempel der Sonnen. Holsp war drahtig-dürr, fast spinnenhaft, mit tiefliegenden Augen hinter vorspringenden Wangenknochen.
    Duyair wurde rot. »Seit ich fünfzehn Jahre alt war, Lugaur, habe ich diese Kanone bei Sonnenuntergang aufgestellt. Seit acht Jahren sogar jeden Tag. Verzeihen Sie mir bitte diese kleine Träumerei in diesem Zusammenhang.«
    »Deine Leichtfertigkeit ist fehl am Platz«, sagte Holsp kühl. »Komm hinein. Wir müssen die Lage besprechen.«
     
    Alles hatte einige Wochen früher auf Dervonar, dem Wohnsitz des Imperators Dervon XIV. und Zentralplaneten des Galaktischen Imperiums begonnen.
    Dervon XIV. war ein alter Mann; er hatte das Imperium seit fünfzig Jahren beherrscht, und das war eine ungeheuer lange Zeit, bestand das Reich doch aus tausend Sonnen und zehnmal so vielen Planeten.
    Er hatte nur deshalb so lange regieren können, weil er von seinem Vater, Dervon XIII., einen funktionierenden Regierungsapparat geerbt hatte. Dervon XIII. war ein Anhänger der pyramidenförmigen Gliederung des Systems der Weitergabe von Verantwortung gewesen: An der Spitze von allen stand der Kaiser, der zwei Berater um sich hatte, von denen jeder wiederum zwei Berater besaß, von denen jeder wiederum zwei … Wenn man dieses System bis ins dreißigste oder vierzigste Glied fortsetzte, erstreckte sich die Kommandokette dort bereits über Milliarden Seelen.
    Dervon XIV. war auf seine alten Tage zu einem müden, eingefallenen kleinen Mann mit fiebrig glänzenden Augen geworden. Er trug nur noch gelbe Roben und seufzte den ganzen Tag, und in seinem Hirn drehte sich alles nur noch um einen Gedanken: Das Imperium muß erhalten werden.
    Diesem Ziel dienten auch alle Bemühungen seiner beiden Berater: Barr Sepyan, Minister für die Inneren Welten, und Corun Govleq, Minister für die Äußeren Welten. Es war Govleq, der mit einer Karte unter dem Arm vor ihm erschienen war und ihm von den Problemen am äußeren Rand des

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