Jenseits des Bösen
Nest zurückkehrte. »Ich kann mich nicht auf dich verlassen, das ist mir jetzt klar.«
»Er hat mich ausgetrickst.«
»Du solltest dich nicht so verdammt überrascht anhören.
Hast du noch nichts gelernt? Die Menschen haben geheime Gesichter. Das macht sie so interessant.«
»Ich wollte ihn verfolgen, aber er war schon weg. Soll ich zu ihm nach Hause gehen? Ihn möglicherweise umbringen?«
»Sachte, sachte«, sagte der Jaff. »Wir können damit leben, daß er einen oder zwei Tage herumläuft und Gerüchte verbreitet. Wer wird ihm denn schon glauben? Wir müssen nur von hier fort, wenn es dunkel ist.«
»Es gibt noch andere leerstehende Häuser.«
»Wir müssen nicht mehr suchen«, sagte der Jaff. »Ich habe gestern nacht einen permanenten Wohnsitz für uns gefunden.«
»Wo?«
»Ist noch nicht ganz bereit für uns, aber das wird er sein.«
»Wer?«
»Wirst schon sehen. Vorerst mußt du eine kleine Reise für mich unternehmen.«
»Gerne.«
»Du wirst nicht lange weg sein, aber es gibt an der Küste einen Ort, wo ich etwas zurücklassen mußte, das mir wichtig ist; es ist schon lange her. Ich möchte, daß du es mir holst, während ich Fletcher beseitige.«
»Da möchte ich dabeisein.«
»Dir gefällt der Tod, nicht?«
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Tommy-Ray grinste. »Ja. Mein Freund Andy, der hatte sich direkt hier einen Totenkopf tätowieren lassen.« Tommy-Ray deutete auf die Brust. »Direkt über dem Herzen. Er sagte immer, er würde jung sterben. Er sagte, er würde runter nach Bombora gehen - dort sind die Klippen echt gefährlich, die Wellen sacken einfach weg, weißt du? - und auf eine letzte Welle warten; und wenn er wirklich reisen würde, würde er sich einfach von der Klippe stürzen. Hinunter. Einfach so. Fahren und sterben.«
»Hat er es getan?« fragte der Jaff. »Sterben, meine ich.«
»Einen Scheißdreck hat er«, sagte Tommy-Ray verächtlich.
»Hatte nicht den Mumm.«
»Aber du könntest es?«
»Jetzt? Todsicher.«
»Nun, du solltest es nicht allzu eilig haben. Es wird eine Party geben.«
»Ja?«
»O ja. Eine Riesenparty. Eine Party, wie sie diese Stadt noch nie gesehen hat.«
»Wer wird eingeladen?«
»Halb Hollywood. Und die andere Hälfte wird sich wün-
schen, sie wäre dabei gewesen.«
»Und wir?«
»O ja. Wir werden auch da sein. Da kannst du sicher sein.
Wir werden da sein, wir werden bereit sein und warten.«
Endlich, dachte William, als er auf Spilmonts Schwelle am Peaseblossom Drive stand, endlich eine Geschichte, die ich erzählen kann.
Er war dem Reigen des Schreckens des Jaff mit einem
Bericht entkommen, den er sich von der Seele reden konnte, und er würde für seine Warnung zum Helden werden.
Spilmont gehörte zu den vielen, für die William ein Haus gefunden hatte; sogar zwei. Sie kannten einander so gut, daß sie 283
per du waren.
»Billy?« sagte Spilmont und betrachtete William von oben bis unten. »Du siehst nicht besonders gut aus.«
»Es geht mir auch nicht gut.«
»Komm rein.«
»Es ist etwas Schreckliches geschehen, Oscar«, sagte
William und ließ sich nach drinnen führen. »Ich habe noch nie etwas Schlimmeres gesehen.«
»Setz dich«, sagte Spilmont. »Judith? Es ist Bill Witt. Was brauchst du, Billy? Was zu trinken? Herrgott, du zitterst ja wie Espenlaub.«
Judith Spilmont war die perfekte Mutter Erde, mit breiten Hüften und einem gewaltigen Busen. Sie kam aus der Küche und wiederholte die Feststellungen ihres Mannes. William bat um ein Glas Eiswasser, konnte aber mit seiner Geschichte nicht warten, bis er es bekommen hatte.
Er wußte, noch bevor er anfing, wie lächerlich sie sich anhören würde. Es war eine Geschichte fürs Lagerfeuer, die man nicht im hellen Tageslicht erzählen sollte, während die Kinder der Zuhörer vor dem Fenster zwischen den Düsen des Rasensprengers tanzten und jauchzten.
Aber Spilmont hörte pflichtschuldig zu, schickte jedoch seine Frau hinaus, als sie das Wasser gebracht hatte. William schilderte seine Erlebnisse, erinnerte sich sogar an die Namen derer, die der Jaff in der Nacht zuvor berührt hatte, und erklärte ab und zu, er wüßte, wie lächerlich sich das alles anhörte, aber es wäre dennoch die reine Wahrheit. Mit dieser Feststellung beendete er seinen Bericht:
»Ich weiß, wie sich das anhören muß«, sagte er.
»Kann nicht sagen, daß das nicht eine tolle Geschichte war«, antwortete Spilmont. »Wenn sie mir ein anderer als du erzählt hätte, hätte ich wohl nicht so bereitwillig zugehört. Aber, Scheiße,
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