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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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mehr als nur ein paar hundert Seelen verloren.
    Er versuchte, nicht allzu angestrengt an die Folgen eines Triumphs des Jaff zu denken, weil er wußte, daß ihn sein Verant-wortungsgefühl überwältigen konnte. Aber nun, wo die letzte Konfrontation endgültig bevorstand, zwang er sich dazu, daran zu denken. Wenn der Jaff in den Besitz der ›Kunst‹ gelangte und durch sie freien Zugang zur Essenz bekam, was würde das bedeuten?
    Zunächst einmal, daß ein Wesen, welches nicht durch die Härten der Selbstaufgabe geläutert war, Macht über einen Ort haben würde, der ausschließlich den Geläuterten und
    Makellosen vorbehalten war. Fletcher begriff nicht ganz, was die Essenz war - vielleicht konnte das kein Mensch -, aber er war sicher, daß der Jaff, der den Nuncio dazu benützt hatte, seine Grenzen auf betrügerische Weise zu überwinden, dort das Chaos anrichten würde. Das Meer der Träume und seine Insel -
    möglicherweise Inseln; er hatte den Jaff einmal sagen hören, daß dort Archipele existierten - wurde von den Menschen dreimal besucht: in der Unschuld des Neugeborenen, im Tod und in der Liebe. An den Ufern von Ephemeris vereinten sie 317
    sich ganz kurz mit dem Absoluten; sahen Bilder und hörten Geschichten, die verhinderten, daß sie im Angesicht des Lebens wahnsinnig wurden. Dort existierte ganz kurz ein Muster und ein Sinn; dort konnte man eine Kontinuität erblicken; dort war die Show, die große und geheime Show, deren Reime und Rituale erschaffen worden waren, Andenken zu sein. Wenn diese Insel zum Spielplatz des Jaff wurde, wäre der Schaden unabsehbar. Das Geheime würde zum
    Allgemeinen werden; das Heilige zum Profanen; eine Rasse, die durch ihre Traumreisen dorthin vor dem Wahnsinn bewahrt wurde, würde dieser Segnung verlustig gehen.
    Es war noch eine weitere Angst in Fletcher, die er nicht so leicht durchdenken konnte, weil sie nicht so zusammenhängend war. Sie hing mit der Geschichte zusammen, die ihm der Jaff zuerst präsentiert hatte, als er in Washington erschienen war und angeboten hatte, Gelder zur Erforschung des Nuncio aufzutreiben. Er hatte von einem Mann namens Kissoon
    gesprochen, einem Schamanen, der von der ›Kunst‹ und ihrer Macht wußte und den der Jaff schließlich an einem Ort gefunden hatte, den er als Zeitschleife bezeichnete. Fletcher hatte sich die Geschichte angehört, aber nicht viel davon geglaubt; doch die nachfolgenden Ereignisse hatten sich zu so fantastischen Höhen aufgeschwungen, daß die Vorstellung von Kissoons Schleife mittlerweile wie eine Kleinigkeit wirkte.
    Welchen Part der Schamane mit seinem Versuch, sich vom Jaff umbringen zu lassen, allerdings in dem größeren Plan spielte, davon hatte Fletcher keine Ahnung; doch sein Instinkt sagte ihm, daß er keinesfalls vorbei war. Kissoon war das letzte überlebende Mitglied des Schwarms, eines Ordens erhabener Menschenwesen, die, seit der Homo sapiens zu träumen angefangen hatte, die ›Kunst‹ vor Wesen wie dem Jaff beschützt hatten. Wieso hatte er dann einem Menschen wie dem Jaff, dessen fiese Absichten von Anfang an offensichtlich gewesen sein mußten, Zutritt zu seiner Schleife gestattet? Warum hatte 318
    er sich überhaupt dort versteckt? Und was war aus den anderen Mitgliedern des Schwarms geworden?
    Jetzt war es zu spät, Antworten auf diese Fragen zu suchen; aber er wollte sie noch jemand anderem anvertrauen, nicht nur seinem eigenen Kopf. Er wollte einen letzten Versuch
    unternehmen, die Kluft zwischen sich und seinem eigenen Fleisch und Blut zu überwinden. Wenn Howard diese
    Überlegungen nicht zuteil wurden, würden sie verschwinden, wenn er, Fletcher, seinen Abgang machte.
    Was ihn wieder auf die unmittelbar bevorstehenden, grimmigen Angelegenheiten brachte; ihre Methoden und Durchführung. Es mußte ein theatralisches Schauspiel sein; ein spektakulärer letzter Auftritt, der die Einwohner von Palomo Grove von ihren Fernsehern weg und mit staunend
    aufgerissenen Augen auf die Straßen locken würde. Nachdem er mehrere Alternativen abgewogen hatte, entschied er sich für eine und begab sich, ohne Unterlaß nach seinem Sohn rufend, zum Schauplatz seiner endgültigen Befreiung.

    Howie hatte Fletchers Ruf gehört, als er vor der Armee des Jaff geflohen war; aber die Panik, die ihn erfüllte, machte es ihm unmöglich, ihren genauen Ursprung zu erkennen. Er floh blind, und die Terata waren ihm auf den Fersen. Erst als er der Meinung war, er habe ausreichend Vorsprung gewonnen, daß er sich eine

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