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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Desorientierung.
    Ein paar Meter von der Stelle entfernt, wo Grillo die Autotür umklammert hielt und darauf wartete, daß sein Schwindelanfall vorbeiging, hatte Tesla den Jungen beinahe erreicht. Er versuchte immer noch, auf die Beine zu kommen. Sie sagte, er solle durchhalten, Hilfe sei unterwegs, aber dafür erntete sie nur einen Blick voller Panik. Dazu hatte er guten Grund. Grillo hatte recht gehabt. Was sie für einen Rucksack gehalten hatte, war tatsächlich lebendig. Es glänzte feucht, während es ihn bedrängte.
    »Was ist das denn, um Gottes willen?« sagte sie.
    Diesesmal antwortete er, eine in Stöhnen gekleidete
    Warnung.
    »Gehen... Sie... weg«, hörte sie ihn sagen, »... sie... sind...
    hinter... mir... her.«
    Sie sah zu Grillo, der sich immer noch mit klappernden Zähnen an der Autotür festklammerte. Von dort war keine Hilfe zu 322
    erwarten, und der Zustand des Jungen schien sich zu
    verschlechtern. Jedesmal, wenn der Parasit ein Glied bewegte -
    und er hatte viele Glieder und Gelenke und Augen -, verzerrte der Junge das Gesicht mehr.
    »Gehen Sie weg...«, knurrte er ihr zu, »... bitte... in Gottes Namen... sie kommen.«
    Er drehte sich benommen um und sah hinter sich. Sie folgte seinem schmerzvollen Blick die Straße hinab, von wo er gekommen war. Da sah sie seine Verfolger. Als sie sie sah, wünschte sie sich, sie wäre seinem Rat gefolgt, bevor sie ihm in die Augen gesehen hatte und damit jede Hoffnung, den Pharisäer spielen zu können, zunichte gemacht worden war.
    Sein Schicksal war ihres. Sie konnte ihm nicht den Rücken kehren. Ihre Augen - am Normalen geschult - bemühten sich, die Lektion zu leugnen, die sie die Straße entlangkommen sahen, aber das konnten sie nicht. Es war sinnlos, das Grauen zu leugnen. Es war in all seiner Absurdität da: eine blasse, murmelnde Flut, die auf sie zurollte.
    »Grillo!« schrie sie. »Steig ins Auto ein!«
    Die blasse Armee hörte sie und legte Tempo zu.
    »Das Auto, Grillo, steig in das verdammte Auto ein!«
    Sie sah ihn an der Tür herumfummeln; er war kaum fähig, sein eigenes Handeln zu kontrollieren. Einige der kleineren Ungeheuer in der Vorhut der Flut wuselten bereits mit Höchstgeschwindigkeit auf das Auto zu und überließen den Jungen ihren größeren Geschwistern. Es waren genug, mehr als genug, sie alle drei Stück für Stück auseinanderzunehmen, einschließlich des Autos. Trotz ihrer Vielfalt - keine zwei gleichen waren darunter, schien es - zeigten sie alle dieselbe glotzäugige, hirnlose Entschlossenheit. Sie waren Zerstörer.
    Sie packte den Jungen am Arm und bemühte sich, so gut es ging, den um sich schlagenden Gliedmaßen des Parasiten auszuweichen. Sie sah, daß dessen Halt fest war; sie konnte ihn unmöglich lösen. Jeder Versuch, sie zu trennen, würde 323
    Gegenmaßnahmen herausfordern.
    »Stehen Sie auf«, sagte sie. »Wir schaffen es.«
    »Gehen Sie«, murmelte er. Er war völlig am Ende.
    »Nein«, sagte sie. »Wir gehen beide. Kein Heldentum. Wir gehen beide.«
    Sie sah zum Auto. Grillo war gerade dabei, die Tür
    zuzuschlagen, als die Vorhut der Armee das Auto erreichte und auf Dach und Motorhaube kroch. Eines, das etwa so groß wie ein Pavian war, warf den Körper mehrmals gegen die
    Windschutzscheibe. Die anderen rissen an den Türgriffen und zwängten Fühler zwischen Fenster und Rahmen.
    »Sie wollen mich«, sagte der Junge.
    »Folgen sie uns, wenn wir gehen?« sagte Tesla.
    Er nickte. Sie zog ihn auf die Beine und hob seinen rechten Arm - die Hand war böse verletzt, sah sie - über die Schulter, dann feuerte sie einen Schuß in die heranstürmende Masse -
    der eines der größeren Ungeheuer traf, es aber kein bißchen verlangsamte -, drehte sich um und schleppte sie beide davon.
    Er konnte ihr eine Richtung nennen.
    »Bergab«, sagte er.
    »Warum?«
    »Das Einkaufszentrum...«
    Nochmals: »Warum?«
    »Mein Vater... ist dort.«
    Sie widersprach nicht. Sie hoffte nur, Vater, wer immer er sein mochte, hatte Hilfe parat; denn wenn es ihnen gelang, vor der Armee davonzulaufen, würden sie am Ende des Rennens nicht mehr in der Verfassung sein, sich zu verteidigen.
    Als sie um die nächste Ecke bog und den gemurmelten
    Anweisungen des Jungen lauschte, hörte sie die
    Windschutzscheibe des Autos bersten.

    Nur ein kurzes Stück von dem Drama entfernt, beobachteten der Jaff und Tommy-Ray, mit Jo-Beth im Schlepptau, wie 324
    Grillo sich mit dem Zündschlüssel abmühte, es ihm - nach einiger Anstrengung - gelang, das Auto

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