Jenseits des Bösen
durchleuchtet wurden. Aber sein Genie war von Drogen beeinträchtigt. Meskalin und seine Derivate hatten ihn zu Fall gebracht, sehr zum Wohlgefallen zahlreicher seiner Kollegen, die kein Hehl mehr aus der Verachtung machten, die sie für den Mann empfanden, nachdem sein geheimes Laster ans Licht gekommen war. Jaffe entdeckte in einem Artikel nach dem anderen denselben gönnerhaften Tonfall, wenn die
akademische Gemeinschaft das gefallene Wunderkind
verurteilte, seine Theorien als lächerlich und seine Moral als widerwärtig verdammte. Fletchers Moral hätte Jaffe nicht gleichgültiger sein können. Die Theorien des Mannes fesselten ihn, deckten sie sich doch in weiten Zügen mit seinen eigenen Ambitionen. Fletchers Forschungen hatten darauf abgezielt, die Kraft in lebenden Organismen, die sie dazu trieb, sich evolutionär zu entwickeln, zu isolieren und im Labor zu synthetisieren. Er glaubte, wie Jaffe, auch daran, daß man den 40
Himmel stehlen konnte.
Es erforderte Beharrlichkeit, den Mann zu finden, aber die hatte Jaffe im Überfluß, und schließlich fand er ihn in Maine.
Das Genie befand sich infolge seiner Verzweiflung in einer üblen Verfassung, am Rande eines völligen geistigen
Zusammenbruchs. Jaffe war vorsichtig. Er kam nicht direkt auf sein Anliegen zu sprechen, sondern machte sich zuerst unentbehrlich, indem er Drogen von einer Qualität lieferte, wie Fletcher sie sich aufgrund seiner Armut schon lange nicht mehr leisten konnte. Erst als er das Vertrauen des Süchtigen gewonnen hatte, machte er Anspielungen auf Fletchers Arbeit.
Anfangs war Fletcher alles andere als willfährig, aber Jaffe entfachte langsam, aber sicher das Feuer der Besessenheit, und schließlich loderten die Flammen hell. Und nachdem sie brannten, hatte Fletcher viel zu erzählen. Er berichtete, daß er seiner Meinung nach zweimal nahe daran gewesen war, die Substanz zu isolieren, die er Nuncio, den Boten, nannte. Aber der abschließende Prozeß war ihm nie gelungen. Jaffe trug ein paar eigene Beobachtungen zu dem Thema bei, die er bei seinen Studien des Okkulten aufgeschnappt hatte. Sie beide, deutete er vorsichtig an, waren Suchende. Wenngleich er, Jaffe, das Vokabular der Altvorderen benützte - das der Alchimisten und Magier - und Fletcher die Sprache der Wissenschaft, hatten sie doch beide dasselbe Ziel, nämlich die Evolution am Ellbogen zu packen; das Fleisch, und möglicherweise die Seele, mittels künstlicher Methoden weiterzuentwickeln.
Anfänglich schüttete Fletcher seinen Hohn über diese
Behauptungen aus, aber allmählich lernte er sie zu schätzen, und schließlich akzeptierte er, als Jaffe ihm die Einrichtung anbot, in der er seine Forschungen erneut beginnen konnte.
Diesmal, versprach Jaffe, würde Fletcher nicht in einem akademischen Treibhaus arbeiten müssen, wo ständig von ihm verlangt wurde, daß er seine Arbeiten rechtfertigte, um seinen Etat nicht zu verlieren. Er sicherte seinem vom Dämon Droge 41
besessenen Freund einen Ort zu, wo er ungestört und vor Neugierigen geschützt arbeiten konnte. Wenn der Nuncio isoliert und sein Wunder reproduziert worden war, konnte Fletcher aus der Wildnis zurückkehren und seine Widersacher in die Flucht schlagen. Das war ein Angebot, dem kein Besessener hätte widerstehen können.
Elf Monate später stand Richard Wesley Fletcher auf einem Granitfelsen an der Pazifikküste Kaliforniens und verfluchte sich selbst dafür, daß er Jaffas Verlockungen erlegen war.
Hinter ihm, in der Misión de Santa Catrina, war die Große Arbeit - wie Jaffe sie zu nennen pflegte - vollbracht worden.
Der Nuncio war Wirklichkeit geworden. Es gab sicher kaum einen weniger wahrscheinlichen Ort für Forschungen, die der größte Teil der Welt für gottlos gehalten hätte, als eine aufgegebene Jesuiten-Mission, aber das ganze Unternehmen war von Anfang an von Paradoxen geprägt gewesen.
Erstens die Liaison zwischen Jaffe und ihm. Zweitens das Zusammenspiel verschiedener Fachrichtungen, welches die Große Arbeit ermöglicht hatte. Und drittens die Tatsache, daß er jetzt, in der Stunde seines Triumphs, kurz davor war, den Nuncio zu vernichten, bevor er dem Mann in die Hände fiel, der seine Erschaffung finanziert hatte.
Wie bei der Erschaffung, so auch bei der Zerstörung:
Systematik, Besessenheit, Schmerz. Fletcher war zu versiert in den Zweideutigkeiten der Materie, um sich dem Glauben hinzugeben, daß die völlige Vernichtung von etwas möglich war. Man konnte Entdeckungen nicht
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