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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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müssen sie beherrschen, richtig?«
    »Einer?« lautete die Antwort. »Ich bin der letzte. Ich bin der einzige.«
    »Dann weihen Sie mich ein. Ich möchte die Welt verändern können.«
    »Welch bescheidenes Ziel.«
    »Verarschen Sie mich nicht!« sagte Jaffe, der zur
    Überzeugung kam, daß er zum Narren gehalten wurde. »Ich werde nicht mit leeren Händen gehen, Kissoon. Wenn ich die Kunst beherrsche, kann ich in die Essenz eintauchen, richtig?
    So läuft das.«
    »Woher hast du diese Informationen?«
    »Ist es nicht so?«
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    »Ja. Und ich wiederhole: Woher hast du diese Informationen?«
    »Ich kann die Hinweise zusammenzählen. Das mache ich
    immer noch.« Er grinste, während sich in seinem Kopf die Teile zusammenfügten. »Die Essenz liegt irgendwo jenseits dieser Welt, nicht wahr? Und mit der ›Kunst‹ kann man überwechseln, so daß man jederzeit dorthin gelangen kann. Der Finger im Kuchen.«
    »Hm?«
    »So hat sie jemand genannt. Der Finger im Kuchen.«
    »Warum sich mit einem Finger begnügen?« bemerkte Kis-
    soon.
    »Richtig! Warum nicht meinen ganzen verdammten Arm?«
    Kissoons Gesichtsausdruck war beinahe bewundernd.
    »Welch ein Jammer«, sagte er. »Du könntest noch weiter entwickelt sein. In diesem Fall hätte ich dich in alles einweihen können.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Ich will damit sagen, daß du zuviel von einem Affen hast.
    Ich kann dir die Geheimnisse in meinem Kopf nicht verraten.
    Sie sind zu mächtig, zu gefährlich. Du weißt nicht, was du mit ihnen anfangen solltest. Letztendlich würdest du die Essenz mit deinen infantilen Ambitionen verunreinigen. Und die Essenz muß erhalten bleiben.«
    »Ich habe Ihnen gesagt... ich werde nicht mit leeren Händen von hier weggehen. Sie können von mir haben, was Sie wollen.
    Was immer ich habe. Aber unterrichten Sie mich.«
    »Würdest du mir deinen Körper geben?« sagte Kissoon.
    »Würdest du das tun?«
    »Was?«
    »Mehr hast du nicht zum Handeln. Möchtest du mir das geben?«
    Diese Antwort verblüffte Jaffe.
    »Sie wollen Sex?«
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    »Gütiger Himmel, nein.«
    »Was dann? Ich verstehe nicht.«
    »Fleisch und Blut. Das Behältnis. Ich möchte deinen Körper bewohnen.«
    Jaffe betrachtete Kissoon, der wiederum ihn betrachtete.
    »Nun?« sagte der alte Mann.
    »Sie können nicht einfach in meine Haut steigen«, sagte Jaffe.
    »Doch, das kann ich. Sobald sie freigemacht worden ist.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Jaffe, Sie sollten niemals sagen: Das glaube ich nicht. Das Außergewöhnliche ist die Norm. Es gibt Schleifen in der Zeit.
    Wir sind gerade in einer. In unseren Köpfen sind Armeen, die nur darauf warten, zu marschieren. Und Sonnen in unseren Lenden und Fotzen am Himmel. In jedem Staat werden
    Sprüche gewoben...«
    »Sprüche?«
    »Eingaben! Beschwörungen! Magie, Magie! Sie ist überall.
    Und du hast natürlich recht, Essenz ist der Ursprung, und die
    ›Kunst‹ ist der Schlüssel dazu. Da findest du, es könnte mir schwerfallen, in deine Haut zu schlüpfen. Hast du denn nichts gelernt?«
    »Nehmen wir an, ich willige ein.«
    »Nehmen wir es an.«
    »Was passiert mit mir, wenn ich meinen Körper verlasse?«
    »Du würdest hierbleiben. Als Seele. Es ist nicht viel, aber es ist ein Zuhause. Ich komme nach einer Weile zurück. Und dein Fleisch und Blut würden wieder dir gehören.«
    »Warum wollen Sie meinen Körper überhaupt?« sagte Jaffe.
    »Der ist doch völlig im Eimer.«
    »Das ist meine Sache«, antwortete Kissoon.
    »Ich muß es wissen.«
    »Und ich habe beschlossen, es dir nicht zu sagen. Wenn du die ›Kunst‹ willst, solltest du tun, was ich sage. Du hast keine 34
    andere Wahl.«
    Das Benehmen des alten Mannes - sein arrogantes, schmales Lächeln, das Achselzucken, wie er die Lider stets halb gesenkt hatte, als wäre es Verschwendung von Augenlicht, seinen Gast ganz anzusehen - das alles ließ Jaffe an Homer denken. Sie hätten zwei Seiten einer Medaille sein können; der erbärmliche Kotzbrocken und dieser überhebliche alte Bock hier. Als er an Homer dachte, dachte er unweigerlich an das Messer in seiner Tasche. Wie oft würde er Kissoons abgemagerten Kadaver schneiden müssen, bis der Schmerz ihn davon überzeugte, endlich zu reden? Würde er dem alten Mann sämtliche Finger abschneiden müssen, Stück für Stück? Wenn ja, er war dazu bereit. Vielleicht mußte er ihm die Ohren abschneiden.
    Vielleicht die Augen ausstechen. Was immer erforderlich war, er würde es tun. Es war zu spät, zimperlich zu sein;

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