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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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heraufbringst, einen nach dem anderen. Laß sie zuerst ein wenig Alkohol trinken, und dann... zeig ihnen das Haus.«
    »Männer oder Frauen?«
    »Bring mir zuerst die Frauen«, sagte der Jaff und ging ans Fenster zurück. »Die sind formbarer. Bilde ich es mir nur ein, oder wird es dunkel?«
    »Nur bewölkt.«
    »Regen?«
    »Das bezweifle ich.«
    »Schade. Aha, es sind neue Gäste am Tor. Du solltest besser nach unten gehen und sie begrüßen.«
    508
    VI

    Howie wußte, es war eine bedeutungslose Geste, nochmals in den Wald am Rand von Deerdell zurückzukehren. Die Begegnung, die er dort gehabt hatte, ließ sich nicht wiederholen. Fletcher war fort, und mit ihm so viele Erklärungen. Aber er ging trotzdem hin, von der unbestimmten Hoffnung erfüllt, die Rückkehr zu der Stelle, wo er seinen Vater getroffen hatte, könnte eine Erinnerung entzünden, wie bruchstückhaft auch immer, die ihm helfen konnte, zur Wahrheit durchzudringen.
    Die Sonne wurde von einer dunstigen Wolkenschicht verschleiert, aber unter den Bäumen war es so heiß wie bei seinen beiden letzten Besuchen hier. Möglicherweise noch heißer; auf jeden Fall feuchter. Obwohl er sich vorgenommen hatte, direkt zu der Stelle zu gehen, wo er Fletcher begegnet war, wurde sein Weg so verschlungen wie seine Gedanken. Er gab sich keine Mühe, den Kurs zu korrigieren. Hierherzukommen war seine Geste des Respekts gewesen; im übertragenen Sinne eine Verbeugung im Gedenken an seine Mutter und den Mann, der ihn widerwillig gezeugt hatte. Aber Zufall, oder ein Sinn, von dem er nicht einmal etwas wußte, brachte ihn auf den richtigen Weg zurück, und er trat, ohne es richtig zu bemerken, auf die kreisförmige Lichtung, wo sein Leben vor achtzehn Jahren gezaubert worden war. Das war genau das richtige Wort: gezaubert. Fletcher war eine Art Magier gewesen. Ein anderes Wort fiel Howie nicht ein, ihn zu beschreiben. Und er, Howie, war eines seiner Kunststücke. Aber statt Befehl und einem Blumenstrauß hatten sie alle - Howie, seine Mutter und der Magier - nur Elend und Leid geerntet. Er hatte kostbare Jahre vergeudet, weil er nicht früher hierhergekommen war und diese essentielle Tatsache über sich selbst gelernt hatte: daß er überhaupt kein Desperado war. Nur ein aus dem Zylinder gezogenes Kaninchen, das an den Ohren hochgehalten wurde und zappelte.
    509
    Er schlenderte zum Eingang der Höhle, der immer noch eingezäunt und mit Schildern der Polizei versehen war, die Abenteuerlustige ermahnten. Er stand an der Absperrung und sah in das klaffende Loch im Boden hinunter. Irgendwo da unten im Dunkeln hatte sein Vater gewartet und gewartet und seinen Gegner festgehalten wie der Tod persönlich. Jetzt war nur noch der Komiker unten, und soweit Howie gehört hatte, würde sein Leichnam nie geborgen werden.
    Er sah auf, und sein ganzes Denken schlug Purzelbäume. Er war nicht allein. Auf der anderen Seite des Grabes stand Jo-Beth.
    Er sah sie an und war überzeugt, daß sie verschwinden würde. Sie konnte nicht hier sein; nicht nach gestern nacht.
    Aber seine Augen sahen sie trotzdem.
    Sie waren so weit voneinander entfernt, daß er sie nicht fragen konnte, was sie hier wollte, ohne zu brüllen, und das wollte er nicht. Er wollte den Zauber erhalten. Und außerdem -
    brauchte er wirklich eine Antwort? Sie war da, weil er da war, weil sie da war, und so weiter.
    Sie bewegte sich zuerst, griff mit der Hand zum Knopf des dunklen Kleides, das sie anhatte, und machte ihn auf. Ihr Gesichtsausdruck schien sich nicht zu verändern, aber er war nicht sicher, ob ihm nicht Nuancen entgingen. Er hatte die Brille abgenommen, als er unter die Bäume getreten war, und jetzt konnte er nicht in den Taschen danach kramen, sondern nur dastehen und zusehen und hoffen, daß der Augenblick kommen würde, da sie sich einander nähern konnten. Inzwischen hatte sie das Oberteil des Kleides aufgeknöpft und machte die Gürtelschnalle auf. Er ging ihr immer noch nicht entgegen, obwohl es seine ganze Kraft erforderte, sich zu beherrschen.
    Jetzt ließ sie den Gürtel des Kleides fallen, überkreuzte die Arme, nahm den Saum in die Hände und zog das Kleid über den Kopf. Er wagte nicht zu atmen, weil er Angst hatte, ihm könnte auch nur eine Einzelheit dieses Rituals entgehen. Sie 510
    trug weiße Unterwäsche, aber ihre Brüste, die er endlich sehen konnte, waren entblößt. Sie hatte ihn steif gemacht. Er bewegte sich ein wenig, um seine Haltung zu verändern, und diese Bewegung nahm sie als

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