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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Nuncio und Kissoon gesagt hatte - fast eine halbe Stunde. Es hätte länger gedauert, aber sie war geübt darin, knappe Umrisse zu schildern, weil sie häufig Exposes für Filmstudios anfertigen mußte. Sie hatte mit Shakespeare geübt - die Tragödien waren einfach, die Lustspiele hundsgemein schwer -, bis sie den Trick der Zusammenfassung von Grund auf beherrschte. Aber diese Geschichte ließ sich nicht so leicht abkürzen. Als Tesla anfing, sie zu erzählen, uferte sie nach allen Seiten aus. Es war eine Geschichte von Liebe und der Abstammung der Arten. Sie handelte von Wahnsinn, Apathie und einem verlorenen Affen.
    Wenn sie tragisch war, wie im Falle von Vance' Tod, war sie stets auch eine Farce. Wenn die Schauplätze am weltlichsten waren, beispielsweise das Einkaufszentrum, waren die
    Geschehnisse stets am visionärsten. Sie konnte die Geschichte nicht knapp erzählen. Sie widersetzte sich. Jedesmal, wenn sie dachte, sie hätte eine gerade Verbindung zum nächsten Punkt, kam etwas dazwischen.
    Vielleicht konnte Mary die Zusammenhänge herstellen.
    »Ich bin fertig«, sagte Tesla schließlich. »Jetzt bist du dran.«
    Die andere Frau ließ sich einen Moment Zeit, um ihre Kräfte zu sammeln. Dann sagte sie: »Du bist gut über die jüngsten Ereignisse informiert, aber du wüßtest gerne, was geschehen ist, daß diese Ereignisse eingetreten sind. Selbstverständlich. Das ist ein Rätsel für dich. Aber ich muß gestehen, vieles ist auch für mich ein Rätsel. Ich kann nicht alle Fragen beantworten.
    Ich weiß vieles nicht. Wenn deine Schilderung etwas beweist, dann die Tatsache, daß es eine Menge gibt, was wir beide nicht wissen. Aber ich kann dir ein paar Fakten auf der Stelle erzählen. Erstens: Kissoon selbst hat den Rest des Schwarms ermordet.«
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    »Kissoon? Soll das ein Witz sein?«
    »Vergiß nicht, ich gehörte auch dazu«, sagte Mary. »Er hat sich jahrelang gegen uns verschworen.«
    »Verschworen? Mit wem?«
    »Ist das so schwer zu erraten? Mit den Iad Uroboros. Oder ihren Repräsentanten im Kosm. Er hat vielleicht nach der Ausrottung des Schwarms vorgehabt, die ›Kunst‹ anzuwenden und die Iad durchzulassen.«
    »Scheiße! Also ist alles wahr, was er mir über die Iad und die Essenz erzählt hat?«
    »O ja. Er lügt nur, wenn er muß. Er hat dir die Wahrheit gesagt. Deshalb ist er ja so brillant...«
    »Ich verstehe nicht, was brillant daran ist, sich in einer Hütte zu verstecken...«, sagte Tesla, dann: »Moment mal. Das paßt nicht zusammen. Wenn er für die Ausrottung des Schwarms verantwortlich ist, was hat er dann zu fürchten? Warum versteckt er sich überhaupt?«
    »Er versteckt sich nicht. Er ist dort gefangen. Trinity ist sein Gefängnis. Er kann nur heraus, wenn...«
    »... er einen anderen Körper findet, in den er schlüpfen kann.«
    »Genau.«
    »Mich.«
    »Oder Randolph Jaffe vor dir.«
    »Aber wir sind beide nicht drauf reingefallen.«
    »Und er bekommt nicht viele Besucher. Es sind äußerst außergewöhnliche Umstände erforderlich, um jemanden in Sichtweite der Schleife zu bringen. Er hat sie geschaffen, um sein Verbrechen zu verbergen. Und jetzt verbirgt sie ihn. Ab und zu kommt jemand wie der Jaff - halb wahnsinnig - an den Punkt, wo Kissoon Macht über ihn erlangen und in die Schleife locken kann. Oder dich mit dem Nuncio im Körper. Aber sonst ist er allein.«
    »Warum ist er eingesperrt?«
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    »Ich habe ihn eingesperrt. Er hielt mich für tot. Er hat meinen Leichnam zusammen mit den anderen in die Schleife gebracht. Aber ich auferstand wieder. Stellte ihn zur Rede.
    Erboste ihn so sehr, daß er mein Blut an seine Hände brachte.«
    »Und seine Brust«, sagte Tesla, die sich an die Vision von Kissoons blutverschmiertem Körper erinnerte, als sie ihm zum ersten Mal entkommen war.
    »Die Regeln des Schleifenspruchs sind klipp und kar. Innerhalb der Schleife darf kein Blut vergossen werden, sonst wird ihr Schöpfer zum Gefangenen.«
    »Was meinst du mit Spruch?«
    »Zauberspruch. Manöver. Trick.«
    »Trick? Eine Schleife in der Zeit machen, nennst du einen Trick?«
    »Es ist ein uralter Spruch«, sagte Mary. »Eine Zeit außerhalb der Zeit. Man findet überall Berichte darüber. Aber es gibt Gesetze, die für alle Daseinsformen der Materie gelten, und ich habe ihn dazu gebracht, eines zu übertreten. Er wurde sein eigenes Opfer.«
    »Und du warst auch dort gefangen?«
    »Strenggenommen nicht. Aber ich wollte seinen Tod und wußte niemanden im Kosm, der das vollbringen

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