Jenseits des Bösen
Lamar schritt mit einem Lächeln durch die Versammelten, das von einem Ohr zum anderen reichte. In all den Jahren, seit er sich von Buddy getrennt hatte, hätte er sich nie träumen lassen, daß er einmal sein würde, wo er jetzt war, und in Buddys Palast Hof halten würde. Er gab sich keine Mühe, seine Genugtuung zu verheimlichen. Was hätte es auch für einen Sinn gehabt? Das Leben war so kurz. Man sollte das Vergnügen nehmen, wo man es bekam, bevor es einem
genommen wurde. Der Gedanke an den Jaff, der nur zwei Stockwerke über ihm saß, verlieh dem Lächeln ein zusätzliches Funkeln. Er wußte nicht, welche Absichten der Mann genau verfolgte, aber er fand es erheiternd, diese Menschen als Kanonenfutter zu betrachten. Er empfand nur Verachtung für alle, hatte er doch selbst gesehen, wie sie und ihresgleichen moralische Drahtseilakte vollführten, die einen Papst beschämt haben würden, und das nur, um Profit, Position oder Profil zu erlangen. Manchmal alle drei. Er hatte gelernt, die Egozentrik seines Stammes zu verabscheuen, die Ambitionen, die so viele dazu verleiteten, Bessere zu Fall zu bringen und sämtliche 505
menschliche Regungen in sich selbst zu ersticken. Aber er hatte diese Verachtung nie gezeigt. Er mußte unter ihnen arbeiten.
Es war besser, seine Gefühle zu verheimlichen. Buddy, der arme Buddy, hatte diesen inneren Abstand nie gehabt. Wenn er genügend Alkohol intus gehabt hatte, hatte er lauthals über die Narren gewettert, die er nicht ausstehen konnte. Mehr als alles andere war seine Indiskretion Ursache für seinen Sturz gewesen. In einer Stadt, wo Worte billig waren, konnte einen das Reden teuer zu stehen kommen. Sie konnten
Unterschlagungen, Sucht, Verführung Minderjähriger,
Vergewaltigung und gelegentlich sogar Mord verzeihen. Aber Buddy hatte sie Narren genannt. Das würden sie ihm niemals verzeihen.
Lamar schritt durchs Zimmer, küßte die Schönheiten, unterhielt sich mit den Kollegen, schüttelte ihrer aller Herren und Meister die Hände. Er stellte sich vor, welchen Ekel Buddy angesichts dieses Rituals empfinden würde. Als sie noch zusammen gearbeitet hatten, hatte er Buddy mehr als einmal von solchen Partys fortlocken müssen, weil dieser seine Beleidigungen nicht für sich behalten konnte. Und mehr als einmal war es ihm nicht gelungen.
»Siehst gut aus, Lam.«
Das feiste Gesicht vor ihm gehörte Sam Sagansky, einem der erfolgreichsten Geldscheffler aus Hollywood. Neben ihm stand ein Weibchen mit dicken Titten, die letzte einer langen Reihe von Weibchen mit dicken Titten, denen Sam zu Ruhm und Ehren verholfen hatte, um sie dann in öffentlichen Dramen fallenzulassen, die die Karrieren der Frauen vernichteten und seinen Ruf als Ladykiller noch steigerten.
»Wie ist es«, wollte Sagansky wissen, »an seiner Beerdigung teilzunehmen?«
»Nicht so ganz das Wahre, Sam.«
»Aber er ist tot, und du bist es nicht. Erzähl mir nicht, daß dir das nicht guttut.«
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»Doch, schon.«
»Wir sind Überlebende, Lam. Wir haben das Recht, uns an den Eiern zu kratzen und zu lachen. Das Leben ist gut.«
»Ja«, sagte Lamar. »Das ist es wohl.«
»Wir alle hier sind Gewinner, was, Süße?« wandte er sich an seine Frau, die die Arbeit ihres Zahnarztes zur Schau stellte.
»Ein besseres Gefühl kenne ich nicht.«
»Wir sehn uns später, Sam.«
»Ob es ein Feuerwerk gibt?« wollte das Weibchen wissen.
Lamar dachte an den Jaff, der oben wartete, und lächelte.
Nach einer Runde durch den Saal ging er nach oben, um mit seinem Herrn und Meister zu sprechen.
»Welch eine Versammlung.«
»Zufrieden?«
»Vollauf.«
»Ich wollte kurz reden, bevor es zu... hektisch wird.«
»Worüber?«
»Über Rochelle.«
»Aha.«
»Ich weiß, du planst etwas Gewaltiges, und keiner kann dar-
über glücklicher sein als ich. Wenn du sie alle vom Antlitz dieser Erde tilgst, wirst du der Welt einen großen Gefallen tun.«
»Tut mir leid, daß ich dich enttäuschen muß«, sagte der Jaff.
»Sie werden nicht alle am großen Macht-Bankett im Himmel teilnehmen. Ich nehme mir ein paar Freiheiten mit ihnen, aber ich interessiere mich nicht für den Tod. Das ist mehr das Betätigungsfeld meines Sohnes.«
»Ich wollte mich nur vergewissern, ob man Rochelle aus allem heraushalten kann.«
»Ich werde sie nicht anrühren«, antwortete der Jaff. »Nun?
Bist du damit zufrieden?«
»Durchaus. Danke.«
»Also. Sollen wir anfangen?«
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»Was hast du vor?«
»Ich möchte nur, daß du die Gäste zu mir
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