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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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seinem Befehl unverzüglich Folge geleistet, dann hätte sie nicht gesehen, wie die Frau hinter den Lix auftauchte.
    Aber sie leistete ihm nicht unverzüglich Folge, und daher sah sie sie auch. Ihr Anblick hielt sie trotz Kissoons Warnung auf der Schwelle fest. Wenn sie tatsächlich eine Agentin der Iad Uroboros war, wie Kissoon behauptete, dann war es eine brillante Verkleidung, sich in so verwundbarer Erscheinung zu zeigen. So sehr sie es versuchte, sie konnte sich nicht 500
    vorstellen, daß etwas Böses, das so gewaltig und so
    ambitioniert war wie die Iad, sich in einer derart erbärmlichen Verfassung präsentieren würde. War das Böse nicht selbst in seinen Handlangern so sehr von sich überzeugt, daß es niemals derart unbekleidet gekommen wäre? Sie konnte ihre Instinkte nicht ignorieren, und diese sagten ihr, daß Kissoon zumindest diesbezüglich unrecht hatte. Die Frau war keine Agentin. Sie war ein Mensch, der Schmerzen litt. Tesla konnte vielem den Rücken kehren, aber so etwas nicht.
    Sie achtete nicht auf eine weitere Aufforderung des Mannes in der Hütte und ging einen Schritt auf die Frau zu. Die Lix nahmen ihre Annäherung zur Kenntnis. Sie wandten sich, als sie auf sie zukam, und hoben die Köpfe wie Kobras. Der Anblick ließ sie eher schneller als langsamer dorthin eilen.
    Wenn das Gewürm Kissoons Befehlen folgte, und zu dieser Vermutung hatte sie guten Grund, schien eben die Tatsache, daß er versuchte, sie fernzuhalten, noch mehr darauf
    hinzudeuten, daß sie an der Nase herumgeführt werden sollte.
    Er versuchte zu verhindern, daß sie einander begegneten; warum? Weil diese erbarmenswerte, ängstliche Frau gefährlich war? Nein! Jede Faser von Teslas Körper lehnte diese Version ab. Er wollte sie voneinander fernhalten, weil sie einander etwas offenbaren konnten; sie konnten etwas sagen oder tun, das ihn in ein fragwürdiges Licht rücken würde.
    Es schien, als hätten die Lix neue Anweisungen bekommen.
    Wenn sie Tesla etwas taten, würden sie die Botin daran hindern, ihrem Zweck nachzugeben; daher drehten sie die Köpfe nun statt dessen zu der Frau. Diese sah ihre Absicht, ihr Gesicht wurde angstverzerrt. Tesla überlegte, daß sie mit ihrer Bösartigkeit vertraut zu sein schien; als hätte sie schon einmal versucht, an ihnen vorbei zu Kissoon oder einem seiner Besucher zu gelangen. Sie schien in jedem Fall versiert darin zu sein, wie man die Lix am besten verwirren konnte, denn sie lief schnellstens hin und her, so daß sie sich verknoteten und 501
    sich nicht entscheiden konnten, in welche Richtung sie springen sollten. Die Frau ließ sich vom Eifer ihrer Retterin anstecken und bemühte sich, aus dem Klammergriff ihrer Angreifer zu entkommen.
    Als sie spürte, daß der Sieg möglich und zum Greifen nah war, machte sie sich zur Flucht bereit. Sie wußte, sie konnte nicht alleine gehen. Die Frau mußte mit ihr kommen, in die Wohnung im North Huntley Drive, sonst wäre sie ein leichtes Opfer für weitere Angriffe; und nach diesem Überfall durfte sie kaum noch Kraftreserven haben, um ihnen Widerstand zu leisten. Kissoon hatte ihr beigebracht, wie sie sich kraft ihrer Vorstellungsgabe einen Weg in die Schleife schaffen konnte.
    Konnte sie dasselbe jetzt in umgekehrter Richtung machen, und zwar nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Frau?
    Wenn nicht, würden sie beide den Lix zum Opfer fallen, die mittlerweile von allen Seiten näherzukommen schienen, als hätte ihr Schöpfer einen Alarmruf ausgestoßen. Sie versuchte, so gut sie konnte, nicht an sie zu denken, sondern stellte sich vor, wie sie und die Frau von diesem Ort an einen anderen verschwanden. Nicht irgendeinen. Nach West Hollywood, North Huntley Drive. Ihre Wohnung. Los doch, sagte sie zu sich. Wenn Kissoon es kann, kannst du es auch. Sie hörte die Frau aufschreien - der erste Laut, den sie tatsächlich von sich gab. Die Szenerie um sie herum erlebte eine Verzerrung, aber nicht die sofortige Versetzung aus Kissoons Schleife nach West Hollywood, auf die sie gehofft hatte; und die Lix versammelten sich in immer größeren Scharen um sie herum. »Noch mal«, sagte sich Tesla. »Mach es noch mal.« Sie konzentrierte sich auf die Frau vor ihr, der die Lix immer noch Teile vom Körper riß und aus dem Haar zog. Diesem Trugbild mußte sie ihre Aufmerksamkeit schenken. Den anderen Passagier, sich selbst, konnte sie sich leicht vorstellen.
    »Los!« sagte sie. »Bitte, lieber Gott, los!«
    Diesmal entstanden die Bilder in ihrem

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